Brandenburger Köpfe – wir trafen einen:

Prof. Eberhard Görner Buch- und Drehbuchautor, Dramaturg, Filmemacher, Publizist und Hochschulprofessor

Am 27. Juni 1971 gab es den ersten „Polizeiruf 110“ im DDR-Fernsehen. Das erfolgreiche Format hat Wendezeiten überstanden und seine Quoten machen Fernsehverantwortliche noch immer zufrieden. Einer der Väter (und der Erfolg hat immer mehrere) ist Prof. Eberhard Görner, der seit 1972 in Bad Freienwalde lebt. In die älteste Kurstadt Brandenburgs kam er, weil seine Frau Heide eine Praxis als Lungenfachärztin übernahm, die sie noch immer führt. „Die 70 Kilometer Abstand von Bad Freienwalde bis nach Berlin-Adlershof, wo ich bis 1990 als Dramaturg und Autor beim Fernsehen der DDR wirken durfte, waren sehr wohltuend, weil sie Abstand zur Großstadt schufen. Wir wohnten in einer alten Villa, direkt am Wald, da sind viele schöne Drehbücher entstanden“, erinnert er sich. Hier entstand nicht nur der Polizeiruf, sondern auch Verfilmungen nach Literatur von Stephan Hermlin, Gunter Preuß, Wolfgang Schreyer, Christa Wolf und Thomas Mann. „Ohne die himmlische Natur-Ruhe wären sie mir wohl nicht aus der Feder geflossen.“

Und schon sind wir mitten drin in seinem Film-Leben und er erzählt Geschichten, z. B. von der „wunderbaren Zusammenarbeit mit Klaus Maria Brandauer“ bei der Verfilmung von „Mario und der Zauberer“ nach der Erzählung von Thomas Mann. 1993 kam der opulente Spielfilm der PROVOBIS FILM in die Kinos. „Seitdem weht unser Freundschaftsband zwischen Wien und Bad Freienwalde.“ Zwei Jahre später folgte der Film „Nikolaikirche“ nach dem Roman von Erich Loest in der Regie von Frank Beyer in der ARD. Und es entstanden wichtige Dokumentarfilme wie über Gottfried Bermann Fischer, einziger Verleger von Thomas Mann. Über Salman Schocken, bis 1938 der viertgrößte Warenhauskonzern in Deutschland. Filmaufnahmen zwischen Berlin, Zwickau und Jerusalem. „Wir drehten auf der Kurischen Nehrung und im kanadischen Halifax mit Thomas Manns Tochter Elisabeth Mann Borgese, Begründerin der Internationalen Ocean-Institute und einziges weibliches Mitglied im Club of Rome. Im US-Staat Vermont dokumentierten wir das Vermächtnis des Kreisauer Kreises mit Freya von Moltke über den Widerstand ihres Mannes Helmuth James Graf von Moltke und seiner Freunde, wie im polnischen Krzyzowa, das als deutsches Kreisau zum Zentrum des Aufstandes des Gewissens gegen Hitler wurde.“

Viele Schriftsteller, Regisseure, Schauspieler und Musiker – auch Politiker  – konnten sich dem Balzen von Eberhard Görner für das Brandenburgische Kleinod Bad Freienwalde nicht entziehen. Der Autor wird zum historienbewanderten Erklärer seiner Stadt und berichtet von Carl Langhans, Erbauer des Brandenburger Tores, der hier ein barockes Badehaus für seinen preußischen König errichtete. David Gilly erbaute 1798 für die Königin-Witwe Luise das schöne Schloss Freienwalde, das Walther Rathenau, der einzige jüdische Außenminister in der deutschen Geschichte, von 1909 bis zu seiner Ermordung 1922 bewohnte. Der große Architekt Karl Friedrich Schinkel hinterließ seine Baumeisterspuren in der Stadt. Theodor Fontane rühmte deren Schönheit, denn zwischen ihren grünen Bergen fließt das blaue Band des Oderstroms. Peter Lenné schenkte Bad Freienwalde seine Gartenkunst. Moor, Heilquellen, stille Wälder und tiefe Seen lindern seit Jahrhunderten menschliche Leiden an Körper und Seele. So wundern sich Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen nach einem Besuch in Bad Freienwalde längst nicht mehr, warum ein weltgewandter und erfolgreicher Filmmensch und Autor in der Provinz-Stadt lebt. Und es kamen viele in den östlichsten Kurort Brandenburgs: Klaus von Bismarck, Rolf Hochhuth, Erich Loest, Christa Wolf, Clara von Arnim, Hans Keilson, Armin Mueller-Stahl, Ruth Alice von Bismarck, Ulrich Mühe, Frank Beyer, Otto Mellies, Peter Sodann, Eberhard Esche, Freya von Moltke, George Tabori, Klaus Löwitsch, Peter Borgelt, Ignatz Bubis, Monika Schöller, Günther Fischer, Yvonne Jurmann, Peter Ratzak, Ulrich Thein, Gojko Mitic, Wolfgang Kohlhaase, Hermann Beil,Katja Paryla, Peter Patzak, Jürgen Kleist von der Plattsburgh University State New York … Eberhard Görner nennt noch mehr Namen – ein ganz persönliches Lexikon über Literatur, Film und Musik. „Volker Schlöndorff, für den ich das Drehbuch für seinen Film ‚Der neunte Tag‘ geschrieben habe, für den wir 2005 in den Himmel der Deutschen Filmakademie aufgenommen wurden, war leider noch nicht hier. Aber vielleicht kommt er nächstes Jahr, wenn Bad Freienwalde sein 700-jähriges Stadtjubiläum feiert.“

Seit 1996 leben Heide und Eberhard Görner in einem Haus, das Mitte der 30er-Jahre ein Baron von Liliencron für seine Familie erbauen ließ. Zum Haus gehört ein großer Garten. „Jetzt im Frühling wird er zum Garten Eden, wenn die Kirsch- und Apfelblüten die Bienen und Hummeln mit ihrem Duft anlocken. Wenn der rosa Pfirsich sein Bild in den Wolken-Himmel malt. Wenn rote Tulpen und gelbe Narzissen die blaue Scilla ablösen. Wenn der Ginkgo-Baum das zarte Grün seiner Blätter freigibt und die mächtige Linde ihr schützendes Dach entfaltet. Wenn ein Reh über den Zaun springt, wenn der Specht klopft und die schwarze Amsel in der fliederfarbenen Magnolie singt, dann weiß ich, warum ich im brandenburgischen Bad Freienwalde seit 1972 lebe und arbeite.“

Eberhard Görner arbeitet viel: Neben der Honorar-Professur (er wurde 1998 für Bewegtbildmedien an die Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden berufen), schreibt er Bücher, reist zu Lesungen, erdenkt neue Projekte und engagiert sich für das kulturelle Leben in Bad Freienwalde, wofür sein Name in das Goldene Buch der Kurstadt eingetragen wurde. Gerade ging das DEFA-Filmfestival im Kino der Stadt zu Ende. Der 70-Jährige lächelt, als er erzählt, dass er ein Sachse sei, wie er im Buche stehe (was auch noch ein wenig zu hören ist). „Aber ich bin mir sicher, meine Literatur über die europäische Kavaliersreise des sächsischen Kurprinzen, die Geschichte über George Bähr, den Erbauer der Frauenkirche zu Dresden, über Josef Fröhlich, den Narren von August dem Starken, oder die 1731–1733 stattgefundene Afrika-Expedition des Kurfürsten von Sachsen und Polen – ohne mein brandenburgisches Refugium gäbe es diese Bücher nicht, wie auch mein Roman ‚In Gottes eigenem Land‘, welcher zum Lutherjahr 2017 von den Landesbühnen Sachsen als Theaterstück Premiere haben wird.

Genauso wie auch die Dokumentarfilme über Armin Mueller-Stahl, Eugen Jochum, über die Zisterzienserinnen-Abtei Waldsassen oder Walter Rathenau.“ Die eigene Filmproduktion lief erfolgreich in den Kinos und in der ARD. Und Eberhard Görner zitiert Theodor Fontane: „Freienwalde – hübsches Wort für hübschen Ort!“

von Johanna Vogtländer

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