Wasser, Welterbe, Wettbewerb und Werbung

Foto: TMB / Yorck Maecke

Seit Juli 2015 vermarktet die Potsdam Marketing und Service GmbH (PMSG) die brandenburgische Landeshauptstadt. Bedarf es eigentlich Werbung für eine Stadt, die längst eine touristische Marke ist und die bei den Übernachtungszahlen einen Rekord nach dem anderen hinter sich lässt? das und noch mehr fragten wir Raimund Jennert, Geschäftsführer der Potsdam Marketing und Service GmbH.

Der Sommer war launisch und unberechenbar. Wie sieht die Tourismus-Bilanz in der Landeshauptstadt aus?

Das Wetter ist im Städtetourismus nicht das Problem, die Reisenden wollen ja nicht an den Strand, sondern die Stadt mit ihren Sehenswürdigkeiten kennenlernen. Da ist wechselhaftes Wetter oftmals eher ein Reisegrund. Wir haben im ersten Halbjahr erneut eine Steigerung von 2,6 Prozent bei den Übernachtungszahlen. Dabei kann Potsdam zugleich damit punkten, dass die Gäste hier länger bleiben als anderswo. Die Verweildauer beträgt 2,4 Tage, der Durchschnitt bei vergleichbaren Städten – ich denke dabei an Regensburg, Osnabrück, Heidelberg, Erfurt oder Trier – beträgt 1,8/1,9 Tage.

Potsdam hat jährlich durchschnittlich 16,5 Millionen Tagesbesucher. Was lockt besonders?

Wohl kein Tourist verlässt die Stadt der Schlösser, Parks und Gärten ohne Besuch in Sanssouci – Foto: tMB/Lutz Hannemann

Leider stammt die Zahl aus dem Jahr 2013, aktuellere haben wir gegenwärtig nicht. Es gab aber eine aktuelle deutschlandweite Tourismus-Erhebung, die u. a. die Frage stellte: Wo fahren Sie hin, wenn Sie Parks und Gärten besuchen wollen? Hier belegte Potsdam einen respektablen Silber- Rang. Das zeigt einmal mehr, dass die brandenburgische Landeshauptstadt ein touristisches Schwergewicht ist.

Müssen Touristiker da überhaupt etwas tun? Kommen die Touristen nicht von allein?

So eine Art Wildwuchs oder Gottvertrauen? Tourismus ist ein Wirtschaftsfaktor, der Herausforderungen an viele unterschiedliche Akteure der Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport, Verwaltung und Stadtgesellschaft stellt. Diese Player müssen zusammenarbeiten, wenn sich etwas bewegen soll. Und natürlich stehen wir auch im Wettbewerb mit anderen Destinationen. Vor diesem Hintergrund hat die Landeshauptstadt Potsdam die Erarbeitung einer Tourismuskonzeption mit Perspektive bis 2025 beschlossen. Hier sind wir federführend, um langfristige Strategien zu entwickeln und vernetzte, qualitativ hochwertige sowie zielgruppengerechte touristische Dienstleistungsangebote zu profilieren. Dazu gehören Themen wie touristische Infrastruktur und Tourismusmarketing genauso wie ganz konkrete Projekte der Angebots- und Produktentwicklung. Kurz gesagt: Wir müssen natürlich etwas tun, Touristen aus der Region, aus ganz Deutschland und dem Ausland Potsdam schmackhaft zu machen.

Kommen wir zurück in die Gegenwart. Was sind da die Wünsche der Tourismus- Profis?

Wir hätten gern mehr Übernachtungsgäste außerhalb der Hauptreisesaison. Das betrifft gerade auch den Zeitraum Weihnachten und den Jahreswechsel, wo andere Städte boomen. Hier träumt Potsdam noch vor sich hin.

Veranstaltungen sind für viele Menschen ein bewegender Reisegrund.

Ja, deshalb freue ich mich auch, dass die Schlössernacht neuen Aufwind bekam und wir solch gestandene Formate wie die Musikfestspiele haben, deren kontinuierliche Qualitätsentwicklung Gäste aus nah und fern anzieht. Wir brauchen zwischen Dezember und März Veranstaltungen, die touristisch relevant sind. Und da sie nicht da sind, müssen wir sie eben erfinden. Dabei geht es uns nicht um irgendeinen Abklatsch, sondern um Potsdam-typische Events mit hoher Qualität und Authentizität. Dafür hat die Stadt die besten Voraussetzungen.

Raimund Jennert, Geschäftsführer der Potsdam Marketing und Service GmbH – Foto: Brigitte Menge

Marketing-Experten lieben die Einteilung nach Zielgruppen. Wer kommt denn besonders gern nach Potsdam?

Es sind die Kulturbegeisterten, die Naturliebhaber und die Entschleuniger. Ich persönlich finde diese Konstellation großartig.

Wofür steht das „Service“ im Firmennamen?

Wir sind Betreiber der drei Tourist Informationen in der Stadt, vermitteln Unterkünfte, verkaufen Veranstaltungstickets, organisieren und koordinieren Stadtbesichtigungen, Erlebnisangebote, Gruppenreisen. Hinzu kommt die wichtigen Bereiche des Tagungs- und Kongress- Services sowie das telefonische Service-Center, das unter anderem auch das Museum Barberini betreut.

Und wohin geht die Reise im Marketing- Bereich?

Die Aufgaben gehen natürlich ineinander über. Im Marketing steht die digitale Vermarktung der Stadt ganz oben auf der Agenda, was auch die Tourismus-Konzeption festschreibt. Diesen Bereich haben wir aufgebaut, einschließlich Content-Redaktion und Social Media. Wir bieten eine kostenlose Stadtführungs-App mit vielen zusätzlichen Serviceangeboten, Tipps und aktuellen Hinweisen. Die Zeit der Zettelwirtschaft in den Tourist Informationen ist nun wirklich vorbei. Wir müssen digital viel, viel besser werden und ganz vorn in der Entwicklung mitspielen. Ganz wichtig ist die Auslandsvermarktung. Da haben wir enormen Aufholbedarf.

Woher kommen die meisten ausländischen Touristen?

Hier sind wir gerade dabei, uns verlässliches Datenmaterial zu erarbeiten. Nach den vorliegenden Zahlen kommen die meisten Gäste aus den Niederlanden – was keine Überraschung ist –, gefolgt von den Spaniern, was uns schon erstaunt und zur Folge hat, dass wir den spanischen Markt intensiver bearbeiten werden.

Wer sind Ihre wichtigsten Partner?

Da haben wir viele, was nicht nur durch den Arbeitsgegenstand bedingt ist, sondern immer auch Austausch und Input bringt. Dazu gehört natürlich die Stadt Potsdam, die Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH (TMB), die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, aber auch die Kulturveranstalter und die Hotels der Stadt, die Tourismus- Verbände des Umlands und die Interessenvereinigungen wie beispielsweise die AG Innenstadt. Intensivieren möchte ich zukünftig auch die Zusammenarbeit mit visitBerlin, den hauptstädtischen Vermarktern. Hier sehe ich verschiedene Kooperationsmöglichkeiten.

Wo stehen die Marketing-Töpfe? Und wie gut gefüllt sind diese?

Im Rathaus. In diesem Jahr sind für uns 1,23 Millionen Euro drin. Das klingt vielleicht im ersten Moment gewaltig, aber angesichts der vielfältigen Aufgaben und Projekte ist das nur oberflächlich betrachtet eine große Summe.

Drei Tourist Informationen – andere Städte kommen mit einer aus.

Welche würden Sie denn schließen wollen? In jedem der touristischen Dienstleistungsorte haben wir jährlich über 100.000 Besucher. Ich sehe hier Entwicklungsmöglichkeiten. So würde ich gern am Luisenplatz ein Info-Zentrum zum UNESCO-Weltkulturerbe profilieren. In den Bahnhofspassagen stelle ich mir eine Mobilitätszentrale vor. Für beide Projekte sind wir auf der Suche nach geeigneten Partnern.

Große Metropolen bewältigen mit mehr oder weniger Erfolg den Spagat zwischen immer weiter steigenden Touristenzahlen und Akzeptanz in der Bevölkerung. Steht das Problem auch vor Potsdam? Vielleicht zukünftig?

Das sehe ich nicht. Ich glaube auch nicht an ein grenzenloses Wachstum. Bei der Beurteilung muss man zwei Thesen beachten: zum einen die vom Rückgang der Bevölkerung und zum anderen die Vorhersage des Welttourismusverbandes über eine enorme Zunahme von Städtereisen. Vermutlich liegt die tatsächliche Entwicklung irgendwo zwischen diesen beiden Polen. Hinzu kommt eine Art Selbstregulierung. Wenn Orte überrannt werden, fahren Menschen da nicht mehr hin.

Welches Thema forciert die PMSG im kommenden Jahr besonders?

Das ist das Thema Wasser-Tourismus in enger Abstimmung mit der TMB. Das ist ein schönes Beispiel, wie vernetzt der Tourismus ist, denn hier treffen sich die Akteure aus dem Land, aus Berlin und Potsdam. Und zugleich ist die Kombination von Schlössern, Gärten und Wasser in der Stadt europaweit einmalig, was für uns als Vermarkter Geschenk und Herausforderung ist.

Potsdam erwartet seine Besucher mit einer Mischung aus historischen Orten, Kunst-Quartieren und liebenswertem Lebensgefühl – Foto: TMB/Steff en Lehmann

Wenn wir schon einen Insider treffen: Was sollten die Potsdamer in diesem Herbst auf keinen Fall versäumen?

Die Potsdamer Winteroper, die Ausstellung zur DDR-Kunst im Museum Barberini, die Veranstaltungen rund um „Unterwegs im Licht“ und vieles mehr. Unsere Homepage ist eine gute Informationsquelle.

Haben Sie in der Stadt einen Lieblingsort?

Ja, den Flatowturm im Babelsberger Park. Schon 1991, als ich nach Potsdam zog, verliebte ich mich hier nicht nur in meine Frau, sondern auch in diesen Rapunzelturm, von dem man eine traumhafte Aussicht hat. Ich erwische mich dort oben immer wieder mit dem Satz: „Mein Gott, ist das schön hier.“

Standorte Tourist Information Potsdam:

• Im Hauptbahnhof, Bahnhofspassagen

• Tourist Information am Luisenplatz, Luisenplatz 3, Ecke Allee nach Sanssouci

• Am alten Markt, Humboldtstraße 1–2