Augen lasern – was ein Nobelpreis mit Potsdam zu tun hat

Der Potsdamer Augenarzt Dr. med. Volker Rasch - Fotos: Potsdamer Augenklinik im Graefe-Haus

Es ist erst ein paar Wochen her, da verkündete die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften, dass der Nobelpreis für Physik im Jahr 2018 jeweils zur Hälfte an Arthur Ashkin (USA) sowie an Gérard Mourou (Frankreich) und Donna Strickland (Kanada) für ihre bahnbrechenden Erfindungen im Bereich der Laserphysik geht. Mourou und Strickland wurden geehrt für die Grundlagen zur Entwicklung des Femtosekundenlasers. Unter denen, die diese herausragenden wissenschaftlichen Leistungen würdigen, ist auch der renommierte Potsdamer Augenarzt Dr. med. Volker Rasch, der zu dieser Lasertechnik eine besondere Beziehung hat.

Ein kurzer Exkurs: Laser steht für light amplification by stimulated emission of radiation, zu übersetzen mit Lichtverstärkung durch stimulierte Emission von Strahlung. Die Anfänge reichen in die 1960er-Jahre zurück. Eine Vielzahl verschiedenster Laser ist inzwischen entwickelt worden. Das Besondere am Femtosekundenlaser sind seine hochintensiven, aber sehr kurzen Impulse: 0.000.000.000.000.001 Sekunden! Als Dr. Rasch im Jahr 2002 erstmals davon hörte, dass in den USA ein Femtosekundenlaser für die LASIK-Methode (Laserkorrektur der Hornhaut für ein „Sehen ohne Brille“) eingesetzt wurde, entstand sofort die Idee, diese Laserart auch für die Operation des „Grauen Stars“ zu nutzen. Sein Gedanke: Wenn man per Laser in der Hornhaut horizontal Schnitte wie bei der LASIK machen kann, könnte man ja bei einer Kataraktoperation durch andere Fokussierungen auch senkrechte und andere Schnitte in die Hornhaut vornehmen sowie auch die getrübte Augenlinse kreisrund öffnen und zerkleinern.

Der Mediziner, der vor seinem Medizinstudium eine Ausbildung als Feinmechaniker und später auch als Augenoptiker absolvierte, erkannte damit wohl als einer der ersten das Potenzial für eine mögliche neue Operationsmethode. Diese theoretischen Überlegungen im Kopf, begegnete Dr. Rasch eher zufällig dem Kleinmachnower Physiker Dr. Georg Korn. Der Wissenschaftler berichtete ihm, dass er während einer Professur in Michigan (USA) mit an der Entwicklung des Femto-Lasers gearbeitet habe. Daraus ergab sich ein spannender fachlicher Gedankenaustausch, der unter anderem 2003 in einer ersten Patentanmeldung Dr. Raschs zur Femtolaseranwendung für die Kataraktchirurgie mündete. Nach der Bekanntgabe der diesjährigen Physik-Nobelpreis- Gewinner schloss sich der Kreis. Nun freut sich Dr. Rasch für die Preisträger, aber auch für Dr. Korn, der damals die ersten Publikationen zur Femtosekundenlasertechnologie zusammen mit Prof. Mouroud machte und nun zur Nobelpreisverleihung nach Stockholm reiste.

Für eine technische Umsetzung seines Konzeptes der „Femtolaserassitierten Katarakt- OP“, wie das Verfahren heute auch bezeichnet wird, konnte Dr. Rasch seinerzeit keine Firma begeistern. „Die Industrie ist nicht immer offen für Ideen Außenstehender, vor allem nicht aus Übersee“, weiß der Augenarzt. „Ich habe im Laufe der Jahre gelernt, dass man Patentanmeldungen selbst umsetzen sollte, ansonsten in der Realisierung meist wenig Chancen hat. Eine eigene technische Umsetzung ist bei komplexen Systemen wie einem Femtosekundenlaser auch nicht möglich.“

Auf über 40 Patentanmeldungen kann Dr. Rasch inzwischen verweisen. Zehn davon entwickelte er vor rund 30 Jahren mit Prof. Jürgen Waldmann, der auf dem Gebiet der Optoelektronik das umfassende theoretische Wissen und neueste Innovationen in die Projektdiskussionen einbrachte, während Dr. Rasch mit der praktischen Sicht aus der augenärztlichen Tätigkeit die Nutzbarkeit des Grundlagenwissens erst möglich machte. Ein erfolgreiches technischmedizinisches Ping-Pong-Team. „Dass alle Entwicklungsgedanken schon vor 40 Jahren nur ,digital‘ sein konnten, versteht sich von selbst. Warum tut man heute so, als ob digital etwas ganz Neues sei?“, fragt Dr. Rasch. Das wohl wichtigste Ergebnis war 1985 ein richtungweisendes Untersuchungs- und Gerätekonzept, das verschiedene Untersuchungsstrategien am Auge in „multifunktionalen“ Gerätesystemen vereinte. Ganz grob heute mit der Konzeption eines Smartphones zu vergleichen.

Doch zurück zum Femtosekundenlaser. Bereits 2009 führte die Klinik den Femtolaser für die „Femto-Lasik“ ein, so der Name für die Sehstärkenkorrektur per Laser in der Hornhaut. Nach dem chirurgischen Eingriff können die Patientinnen und Patienten wieder scharf sehen, Brille oder Kontaktlinsen im täglichen Leben werden überflüssig. Teilweise ist nur noch beim Autofahren, längerem Lesen oder bei starkem Sonnenlicht eine schwache Brille notwendig. Seit 2014 arbeiten die Augenärzte im Graefe-Haus – längst Lehrpraxis der Medizinischen Hochschule Brandenburg – mit einem Femtosekundenlaser nun auch bei der Katarakt-Operation. „Wir entschieden uns für das Konzept von LensAR aus den USA und führten in unserer Klinik damit das erste System in Berlin und Brandenburg in die Praxis ein. Das Verfahren erlaubt präzise Schnitte, wie es manuell für den Operateur nicht möglich ist. Die Zerkleinerung insbesondere sehr harter Augenlinsen ist deutlich schonender als mit den herkömmlichen Verfahren. Wir nennen das Verfahren übrigens LASICAT (Lasers in Cataract Surgery), wie in unseren ersten Publikationen 2004 “, erklärt Dr. Volker Rasch. Bei der Operation wird die getrübte Augenlinse durch eine künstliche ersetzt. In zunehmenden Umfang verlangen Patienten auch sogenannte Multifokallinsen, eine Art innere Gleitsichtbrille. „Wir erleben gerade bei älteren Menschen, dass sie durch die neue Brillenfreiheit an Lebensqualität gewinnen“, so Volker Rasch. Die Katarakt- OP erfolgt ambulant. Für Patienten mit einem langen Anfahrtsweg oder komplizierte Fälle gibt es in der hauseigenen Pension Übernachtungsmöglichkeiten. Auch ein eigenes Café mit selbst gebackenem Kuchen verwöhnt im Graefe-Haus die Patienten.

Und manchmal entstehen in dem gemütlichen Café auch neue Ideen. Seit 2014 allein gibt es vier neue Patentanmeldungen aus Potsdam zur Weiterentwicklung des Femtosekundenlasers in der Kataraktchirurgie. Vielleicht gibt der Nobelpreis der Industrie auch einen Schub für die Ideen aus Potsdam.