Wann stimmt die Work-Life- Balance?

Team-Events machen nicht nur Spaß, sie zeigen auch, welche Fähigkeiten jede/r Einzelne hat. Hier: Improvisationstheater bei iSQI - Fotos: iQUI

Kaum eine Diskussion unter Wirtschaftsleuten, die nicht an einem Punkt fehlende Fachkräfte beklagt. Wer sie hat, möchte sie ans Unternehmen binden. Doch wie funktioniert das? Allein monetär ganz sicher nicht. Vor allem bei jungen Menschen steht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit ganz oben auf der Wunschliste.

Längst ist bei den Arbeitgebern das Bewusstsein vorhanden, dass das Wohlbefinden der Mitarbeiterinnen ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens ist. Zielte die Work-Life-Balance ursprünglich auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei Frauen ab, bezieht sie sich mittlerweile auf Männer und Frauen mit und ohne Familie. Schließlich kann jeder die Prämissen selbst setzen: Familie, Sport, Hobbys, bürgerschaftliches Engagement … – für alle Bereiche soll neben der Berufstätigkeit ausreichend Spielraum sein. Auch für Mittelständler ohne millionenschwere Personalbudgets ist es möglich, etwas dafür zu tun, dass eine Art Symbiose von Arbeit und Privatleben gelingt. „Studien zeigen, dass nicht nur die Mitarbeiterinnen von der Flexibilität des Unternehmens, sondern auch die Unternehmen von ihrer Familienfreundlichkeit profitieren“, erklärt Monika Holzmann, Chief Administrative Officer (CAO) Human Resources am Potsdamer Hauptsitz des international agierenden Unternehmens iSQI, das Tochtergesellschaften in Gorinchem, Boston und London unterhält. iSQI steht für international Software Quality Institute. Das Unternehmen zertifiziert weltweit das Know-how von (IT-)Fachkräften. Als Deutschlands Marktführer ist das Institut vielgefragter Ausbildungspartner sowohl für Global Player als auch für mittelständische Firmen in über 60 Ländern. „Viele Angebote an uns als Mitarbeiter sind schon so in den Alltag übergegangen, dass wir sie oftmals als naturgegeben betrachten. Mir wird das oft bewusst, wenn ich mit Kollegen spreche“, bekennt Monika Holzmann."

Dazu zählen die flexiblen Arbeitszeiten, die bei iSQI bereits vor Jahren zum Standard wurden. In der Kernarbeitszeit von 10 bis 15 Uhr finden alle Meetings statt. Diese Flexibilität hilft natürlich vor allem Müttern und Vätern in einem Unternehmen, in dem das Durchschnittsalter bei 38 Jahren liegt und weit über die Hälfte der Mitarbeiter*innen Eltern sind. Ist ein Kind krank, arbeitet Mama oder Papa flexibel im Homeoffice, die Daten liegen in der Cloud. „Wir sind sehr stolz darauf, dass bei uns junge Väter in Teilzeit arbeiten und dies bei uns als Normalität betrachtet wird“, berichtet die Personalchefin. Eine Studie der Uni Duisburg- Essen aus dem vergangenen Jahr weist aus, dass keine zehn Prozent der Männer sich entschließen, in Teilzeit zu arbeiten. Streng wird bei iSQI auf die Überstundenbilanz jedes Mitarbeiters geschaut. „Haben sich zu viele Überstunden angesammelt, ist automatisch der nächste Freitag ein freier Tag“, so Monika Holzmann.

iSQI-Personalchefin Monika Holzmann: Es ist ein Paket an Maßnahmen, das eine Work-Life-Balance sichert – Foto: Karoline Wolf

Das Potsdamer Institut bietet seinen Mitarbeiter*innen verschiedene Pakete an, damit sie sich wohlfühlen. So zahlt der Arbeitgeber die Kosten für das VBBUmwelt- Ticket und die Kita-Gebühren. Auch die Kosten für ein Fitnessprogramm, bei dem angeschlossene Studios und Freizeitbäder in der Region genutzt werden können, werden zu 50 % von iSQI übernommen. Wer möchte, kann über das Unternehmen sein persönliches Jobrad leasen. „All diese Maßnahmen werden bei uns stetig ausgebaut“, betont Monika Holzmann. Das Unternehmen verändert sich aber auch in der Struktur. So wurden die strengen Hierarchien aufgehoben. Teams arbeiten projektbezogen und eigenverantwortlich. „Das weckte viel kreativen Freiraum, zudem wurden die Arbeitsabläufe schneller“, so Monika Holzmann, die offen über die Überwindung der Gender Pay Gap (kurz GPG, Geschlechter-Einkommenslücke, geschlechtsspezifischer Lohnunterschied) berichtet. „Vor gut zwei Jahren kam Firmenchef Stephan Goericke zu mir und bat mich zu prüfen, ob bei uns eine Gender Pay Gap existiere. Spontan habe ich das sofort verneint. Als ich aber begann, das im Detail zu prüfen, erschrak ich regelrecht, denn die Zahlen waren eindeutig. Innerhalb eines Jahres haben wir diese Unterschiede Schritt für Schritt aufgehoben, geplant waren für die Maßnahme eigentlich zwei Jahre. Am Internationalen Frauentag des vergangenen Jahres informierte Stephan Goericke die komplette Belegschaft darüber, dass diese Ungerechtigkeit beseitigt ist.“ Monika Holzmann recherchierte natürlich auch, wie, wann und wo diese Gender Pay Gap entsteht. Ihre Erkenntnis: „In den Gehaltsverhandlungen. Deshalb achten wir nun bei jedem Einstellungsgespräch darauf, dass das gar nicht erst passiert.“

Regelmäßige Firmenevents stärken den Zusammenhalt des internationalen Teams, das unter anderem aus Kollegen, die aus Argentinien, Vietnam, Russland, der Ukraine und Deutschland kommen, besteht. Eine gute Unternehmens-Schule gerade auch für die Auszubildenden, die rund 10 Prozent aller Mitarbeiter*innen ausmachen und neben Potsdam und Berlin auch aus Syrien und Russland stammen.

Fazit: Eine stimmende Work-Life-Balance zahlt sich für die Unternehmen aus. Die Mitarbeiterinnen arbeiten gern hier, die Fluktuation sinkt, schließlich kostet der Verlust gut eingearbeiteter, qualifizierter Mitarbeiter jedes Unternehmen viel Geld. Fachkräfte rekrutieren sich einfacher, zudem empfehlen zufriedene Mitarbeiterinnen ihr Unternehmen gern weiter, so konnte iSQI in einem Zeitraum von sechs Monaten 15 Stellen besetzen. Wer bei kranken Kindern von zu Hause aus arbeiten kann, verursacht weniger Fehlzeiten. Und nicht zuletzt: Mitarbeiter*innen, die mit ihrem Job und dem Arbeitsklima zufrieden sind, bringen bessere Leistungen, sind loyaler dem Arbeitgeber gegenüber und melden sich seltener krank. „Fachkräftemangel ist oftmals ein Mangel an Attraktivität des Arbeitsplatzes“, so Stephan Goericke.