Laienmusiker? Semi-professionell? Amateure? Dr. Knut Andreas, Dirigent und künstlerischer Leiter des Sinfonieorchesters Collegium musicum Potsdam, tut sich schwer mit der Wortfindung für gut zwei Drittel seiner Musiker. Und auch der etwas altmodische Begriff des „Liebhaberorchesters“ ringt ihm ein fast unmerkliches Stirnrunzeln ab. Nichts beschreibt die Qualität und Leidenschaft der Musiker des Potsdamer Orchesters halbwegs. Aber vielleicht braucht es keine Worte, schließlich kommt die Musik auch ohne aus. In diesem Jahr feierte das Ensemble 70. Geburtstag – natürlich mit viel Musik.
Die Idee des Collegium musicum geht bis ins 16. Jahrhundert zurück: Gut 150 Jahre später initiierte und pflegte Johann Sebastian Bach in seiner Leipziger Zeit den Verband von Musikliebhabern aus dem privaten und studentischem Umfeld, die gemeinsam musizierten. Oftmals gesellten sich zu diesen Runden Berufsmusiker. In dieser Traditionslinie gründete derPotsdamer Hochschullehrer und Komponist Prof. Hans Chemin-Petit 1945 das Potsdamer Sinfonieorchester, das in den Jahren ziemlich viele Höhen und Tiefen durchspielte. Als Knut Andreas den Klangkörper 1998 übernahm, war das Ende beinahe greifbar. Gerade mal 15 sehr betagte Musiker waren als Getreue verblieben. Doch der Potsdamer, dessen Liebe zur und Talent für die Musik in der Städtischen Musikschule „Johann Sebastian Bach“ geweckt und gefördert wurde, krempelte die Ärmel hoch und das Repertoire um. Heute treffen sich rund 80 Laien- und Profimusiker (zu einer Bezeichnung mussten wir uns jetzt doch durchringen!) aus Potsdam und dem Umland zur wöchentlichen Probe im Babelsberger Gemeindesaal. Konkurrenzsituationen? Knut Andreas schüttelt den Kopf: „Ganz im Gegenteil, die Amateurmusiker lernen von den Profis – die alle ehrenamtlich spielen, weil sie Lust und Freude haben, im Orchester zu musizieren – ungeheuer viel, da gibt es viele praktische Tipps. Diese Ratschläge bringen das Orchester insgesamt voran. Das wiederum erfreut die Berufsmusiker, die erleben, dass wir Werke spielen, die für Amateurmusiker unüblich sind.“ Dieser produktive Ensemblegeist ließ neue Formate wachsen. Das populärste ist unbestritten „Klassik am Weberplatz“. Im Jahr 2009 startete das Open-Air-Festival, das alljährlich im Sommer rund 2.000 Zuhörer auf den Platz rund um die Babelsberger Friedenskirche zieht. In jedem Jahr steht das Sinfoniekonzert unter einem anderen Motto; Länder, Musikrichtungen, Instrumente standen Pate für die Ideen. In diesem Sommer erlebten die Zuschauer eine „Klaviernacht“ mit Klavierkonzerten aus drei Jahrhunderten.
Ein neues Format riefen die Musiker im vergangenen Jahr ins Leben: „Sinfonieorchester für Senioren“. Zwei Mal jährlich spielen sie kostenlos ausschließlich für die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. „Das ist für alle ein großes emotionales Erlebnis, das bei Zuhörern und Musikern lange nachwirkt“, berichtet Knut Andreas. „Wir ernten eine so tiefe Dankbarkeit, die uns sehr bewegt.“ Meist bleiben die Musiker nach solchen Konzerten noch eine Weile zusammen, um zu reden. „Das Orchester vereint ein spannendes soziales Gefüge: viele unterschiedliche Berufe, Jung und Alt. Die jüngsten Ensemblemitglieder sind 16, der Älteste ist 85“, so der promovierte Musikwissenschaftler, der die Entwicklung des Sinfonieorchesters Collegium musicum Potsdam maßgeblich prägte. Es ist heute nicht nur das älteste Orchester der Landeshauptstadt und eines der größten Brandenburgs, sondern spielt in der Liga der hervorragenden Klangkörper mit Strahlkraft über die Landesgrenzen hinaus. Dabei legt Knut Andreas viel Wert auf die Zusammenarbeit mit renommierten Solisten und Gastdirigenten. Auch für zeitgenössische Musik öffnet er mit den Musikern das Repertoire. „Ich liebe die Musik des 20. Jahrhunderts und manche davon ist ja längst ein Klassiker, so wie Schostakowitsch, den wir gerade gespielt haben.“ 2012 wagte sich das Collegium musicum erfolgreich an die Uraufführung des Klarinettenkonzerts op. 179 des Potsdamer Komponisten Gisbert Näther.
Nachwuchssorgen hat das Sinfonieorchester nicht. Zum einen wachsen bereits die nächsten Generationen nach – „ein Glücksfall“, weiß Knut Andreas – und zum anderen gibt es die Reihe „Proben mit Schülern“. Hier sitzen während der Orchesterproben Schüler neben den Musikern. „Das fördert nicht nur den Zugang zur klassischen Musik, sondern weckt manchmal auch den Wunsch, hier mitzuspielen. Nach zwei, drei Proben merkt man schnell, ob Können und Willen ausreichen.“
Viel guten Willen brauchen die Ensemblemitglieder, um den Orchesterbetrieb zu organisieren, all die Arbeiten zwischen Transportlogistik, Programmheft, Verkauf der Eintrittskarten, Beantworten von Publikumsanfragen … das übernehmen ausschließlich Musiker ehrenamtlich. Knut Andreas kämpft dafür, dass eine Personalstelle, ein „Orchester-Manager“, geschaffen wird, um dieses Kraftpaket an Arbeit zu bewältigen.
Anfang des Jahres spielten die Musiker um Knut Andreas Operettenmusik, nun arbeiten sie an neuen Projekten: Gruselkonzerte und Adventsmusik. Überraschungen gehören zum Repertoire dieses spielfreudigen und sympathischen Orchesters.
von Brigitte Menge
Konzerte des Collegium musicum Potsdam
10.10.2015 | 19.00 Uhr
Biosphäre Potsdam Gruselkonzert in der Biosphäre (Familienkonzert, Kinder ab 6 Jahre) Schaurige Geschichten und gruselige Musik. Bernhard Herrmann – Psycho Wojciech Kilar – Dracula John Williams – Der weiße Hai John Carpenter – Halloween Mike Oldfield – Tubular Bells
10.10.2015 | 22.00 Uhr
Biosphäre Potsdam Gruselkonzert in der Biosphäre (nur für Erwachsene) Schaurige Geschichten und gruselige Musik. Bernhard Herrmann – Psycho Wojciech Kilar – Dracula John Williams – Der weiße Hai John Carpenter – Halloween Mike Oldfield – Tubular Bells Sinfonieorchester Collegium musicum Potsdam Erzählerin: Bettina Mahr
Dirigent: Parcival Módolo
14.11.2015 | 19.30 Uhr Herz-Jesu-Kirche, Berlin-Zehlendorf Sinfoniekonzert Wojciech Kilar – Requiem Father Kolbe Gustav Mahler – Rückert-Lieder Gabriel Fauré – Requiem d-Moll, op. 48 Sinfonieorchester Collegium musicum Potsdam Chor der Herz Jesu Kirche Sopran: Gabriele Näther Dirigent: Knut Andreas
15.11.2015 | 16.00 Uhr Friedrichskirche, Potsdam-Babelsberg Sinfoniekonzert Wojciech Kilar – Requiem Father Kolbe Gustav Mahler – Rückert-Lieder Gabriel Fauré – Requiem d-Moll, op. 48 Sinfonieorchester Collegium musicum Potsdam Chor der Herz Jesu Kirche Sopran: Gabriele Näther Dirigent: Knut Andreas
06.12.2015 | 16.00 Uhr Friedrichskirche, Potsdam-Babelsberg Adventskonzert Weihnachtliche Chor- und Blechbläsermusik