Sie galt als „Santiago des Nordens“ – die Wunderblutkirche in Bad Wilsnack. Umso größer ist nun die Freude in der Prignitz, dass der sakrale Bau mit der über 500-jährigen Geschichte nun in die Liste der „National wertvollen Kulturdenkmäler“ aufgenommen wurde.
St. Nikolai bestimmt die Silhouette des Wilsnacker Landes, ganz gleich, von welcher Himmelsrichtung aus man sich der Kurstadt im Nordwesten Brandenburgs nähert. Der monumentale Kirchenbau ist untrennbar mit der mittelalterlichen Wunderblutlegende aus dem Jahr 1383 und der sich über 170 Jahre anschließenden Wallfahrtsbewegung verknüpft. Die Legende erzählt von wundersamen Ereignissen, die das Prignitzer Dorf für anderthalb Jahrhunderte aus seiner Abgeschiedenheit rissen. Mit den Pilgern kam der Wohlstand. Aus dem Dorf wurde eine blühende Wallfahrtsstadt, deren gesamtes Wirtschaftsleben auf den Pilgerverkehr ausgerichtet war. Die Wilsnacker Kirche wurde als „Santiago“ Nordeuropas zum Ziel einer der größten Wallfahrtsbewegungen des Spätmittelalters und Treffpunkt von Wallfahrern aus dem gesamten nordeuropäischen Raum – angefangen von den Britischen Inseln und Flandern über Skandinavien und das Baltikum bis nach Polen, Tschechien und Ungarn.
Heute kündet allein schon die imposante Größe der Kirche von der wahrlich überragenden Bedeutung im Spätmittelalter. Dabei weist die dreischiffige, kreuzförmige und kreuzrippengewölbte gotische Backsteinhalle zahlreiche bauliche Details und Eigenheiten auf. Das macht sie spannend für baugeschichtliche Forschungen. Auch für Laien sind die unsymmetrischen Formen und der unvollendete Bau des Langhauses gut erkennbar, wodurch die Kirche äußerlich wie ein gedrungener Torso wirkt. Im Innenraum bilden die Fenster im Chor und im nördlichem Seitenschiff außerordentlich beeindruckende Zeugnisse spätmittelalterlicher Glasmalerei. Doch am Bau und der Ausstattung nagte der Zahn der Zeit.
Mehr als ein Jahr lang engagierten sich die Prignitzer SPD-Bundestagsabgeordnete Dagmar Ziegler, Amtsdirektor Torsten Jacob und Dombaumeisterin Regine Hartkopf gemeinsam mit dem Gemeindekirchenrat unter Vorsitz von Christian Richter und dem Förderverein für die Anerkennung als „National wertvolles Kulturdenkmal“. Im Mai kam dann endlich die frohe Kunde aus dem Bundeskanzleramt: ein Listenplatz für die „Wunderblutkirche“, was neben der Anerkennung wichtige Fördermittel bringt. „Das ist ein herausragender Erfolg für alle Beteiligten und vor allem für Bad Wilsnack“, so Dagmar Ziegler. „Die Wunderblutkirche gehörte einst zu den bedeutendsten Pilgerkirchen des Abendlandes. Mit der Anerkennung als ‚National wertvolles Kulturdenkmal‘ wird ihre Bedeutung endlich angemessen gewürdigt. Ich freue mich darauf, sie bald wieder in alter Pracht zu erleben.“
In diesem Jahr fließen 200.000 Euro Fördermittel vom Bund nach Bad Wilsnack. Diese Summe wird durch Landes- und Eigenmittel in jeweils gleicher Höhe ergänzt. Zu einer der ersten Aufgaben gehört das Kirchendach samt Statik sowie die „Wunderblutkapelle“, der Ort, an dem im Mittelalter das Wunderblut aufbewahrt wurde. Noch immer ist Bad Wilsnack ein Wallfahrtsort. Jährlich kommen über 30.000 Besucher, um den geschichtsträchtigen Kirchenbau zu besuchen. Zugleich ist die Kirche ein Ort vielseitiger Veranstaltungen.
Das Programm „National wertvolle Kulturdenkmäler“ fördert in diesem Jahr vierzig herausragende Baudenkmäler, darunter die Friedenskirche in Potsdam-Sanssouci und die Friedhöfe vor dem Halleschen Tor in Berlin. Das Programm gibt es seit 1950. Bis 2015 konnten 640 Kulturdenkmäler mit einem Gesamtvolumen von rund 365 Millionen Euro in ganz Deutschland gefördert und erhalten werden.