„Jann wirklich mit zwei ‚n‘?“, fragten Journalisten 1993 lieber noch mal nach, wie sich der Neue im Potsdamer Rathaus mit den friesischen Wurzeln schreibt. Heute hat Jann Jakobs einen Bekanntheitsgrad kurz vor 100 Prozent in der Landeshauptstadt, deren Oberbürgermeister er seit 2002 ist. Unbekannter ist seine Arbeit als Präsident des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg. Grund genug, nachzufragen.
Welche generellen Aufgaben hat der Städte- und Gemeindebund Brandenburg? Im kommunalen Spitzenverband arbeiten die Städte, Gemeinden und Ämter des Landes auf freiwilliger Basis zusammen, er bündelt die Interessen von der kleinsten Gemeinde bis zur Landeshauptstadt. Wir sind einer von sechzehn Mitgliedsverbänden des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Das zentrale Aufgabenfeld ist die Sicherung der kommunalen Selbstständigkeit. Die Mitgliedsstädte werden beraten, wir begleiten Gesetzgebungsverfahren, indem wir auf die inhaltliche Ausgestaltung Einfluss nehmen, denn es gibt ja kaum ein Gesetz, das nicht unmittelbare Auswirkungen auf die Städte und Gemeinden hat. Es gibt einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch, und wir werden natürlich auch selbst aktiv, wenn Entwicklungen ein Gesetzgebungsverfahren notwendig werden lassen.
Gibt es dafür ein Beispiel? Stichwort Sonntagsöffnungszeiten. Wir arbeiten daran, dass die landesspezifischen Ausnahmeregelungen der Sonntagsöffnungszeiten in Brandenburg denen in Berlin geltenden zumindest angepasst werden. Die Unterschiede sind gegenwärtig zu groß und das schadet nicht nur dem Einzelhandel, sondern auch der Attraktivität der Innenstädte. Wir unterstützen daher jede Flexibilisierung des Gesetzes durch die Landesregierung oder den Landtag. Hier zeigt sich gegenwärtig Bewegung.
Sie sind nun fast zwei Jahre Präsident. Was ist in dieser Zeit passiert? Eine ganze Menge. Da gibt es die unterschiedlichsten Themenkomplexe. Am meisten beschäftigte uns – und das begann bereits vor meiner Zeit als Präsident – das Thema der Kreisgebiets- und Funktionalreform. Hier sind wir sehr stark involviert, angefangen von der Mitwirkung in der Enquetekommission des Landtags zur Bestimmung des Leitbilds bis hin zur Durchführung unterschiedlichster Veranstaltungen wie der großen Kommunalkonferenz im Januar dieses Jahres. Zweites Dauerbrennerthema sind die Finanzierungsmodalitäten der Städte und Gemeinden, die für ihre Aufgaben immer einen finanziellen Handlungsrahmen brauchen. Inklusion ist das dritte Thema, mit dem wir uns intensiv beschäftigt haben und das auch weiterhin aktuell bleibt. Wir müssen sehr genau darauf achten, dass hier nicht Gesetze und Regelungen verabschiedet werden, die allein zu Lasten der Städte und Gemeinden gehen. Ein weiterer Punkt ist der Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg (LEP B-B), hier geht es um die Definition von Grundsätzen, von denen wiederum finanzielle Zuwendungen und Entwicklungsentscheidungen abhängig sind. Einige Städte und Gemeinden haben dagegen geklagt und das Land zu Änderungen aufgefordert. Und natürlich sind alle Fragen und Probleme, die sich um geflüchtete Menschen drehen, eine Herausforderung für die Städte und Gemeinden. Das gemeinsame Ringen um Lösungen ist ein Thema, das uns seit langem beschäftigt und wohl auch weiterhin beschäftigen wird.
Wie schwer wiegt eigentlich das Wort der kleinen Städte und Gemeinden, oder anders gefragt: Besteht nicht die Gefahr, dass sie schnell „untergebuttert“ werden? Die Atmosphäre ist sehr kollegial. Wir haben ein Präsidium, das alle kommunalen Strukturen abbildet. Gerade die kleinen Gemeinden sind sehr selbstbewusst.
Die Kreisgebiets- und Funktionalreform ist ein Thema, das auf vielen Ebenen und in unterschiedlichen Gremien leidenschaftlich diskutiert wird. Wir sind nicht gegen ein solches Reformvorhaben, aber alles, was diskutiert wird – die Abschaffung der kreisfreien Städte Cottbus, Frankfurt/Oder und Brandenburg an der Havel und die Neuzuschneidung der Landkreise – greift uns zu kurz. Wir müssen die Kreisgebietsreform mit einer Funktionalreform verbinden, das heißt, dass bestimmte Aufgaben, die bisher auf Landesebene wahrgenommen werden, auf die Städte und Gemeinden übergehen. Für die Vorstellung der Landesregierung, das erst in einem zweiten Gesetz nach 2019 auf den Weg zu bringen, erscheint mir der Begründungszusammenhang wenig schlüssig.
Welche Auswirkungen hat das denn auf den Bürger? Wenn die Städte und Gemeinden mehr Aufgaben übernehmen, verkürzen sich die Wege für den Bürger. Bürgernähe lebt in den Städten und Gemeinden. Es ist einfach ärgerlich, wenn Bürger mit ihrem Anliegen zu ihrer Gemeinde gehen und dort hören: Wir sind da nicht zuständig, ihr müsst euch an den Landkreis wenden. Vorpommern, wo die Kreisgebietsreform schon durchgeführt wurde, ist ein bedenkenswertes Beispiel.
Politik verlangt Kompromisse. Das ist Alltag und gelernt. Nun zeigen die aktuellen Wahlergebnisse ringsum, dass das Parteienspektrum breiter geworden ist. Wo hört für Sie Kompromissbereitschaft auf? Bei radikalen Parteien. Die AfD sitzt in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung. Aber sie spielen im politischen Leben so gut wie keine Rolle. Potsdam unterscheidet sich immens von vielen anderen Regionen. Die Versuche, radikale Strömungen hoffähig zu machen oder eine Pogida zu etablieren, scheiterten kläglich am gesunden Selbstbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt.
Potsdam boomt und ist selbst für Berliner zur Traumstadt geworden. Was glauben Sie, wie lange wird dieser Boom anhalten? Interessant ist, dass die Zahl der Arbeitsplätze die der Wohnungen und Zuzüge noch übertrifft. Solange die Indikatoren Einwohnerzuwachs – ausgedrückt in der Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter – und Wirtschaftswachstum – ausgedrückt im Bruttoinlandsprodukt und in der Zahl der Gewerbebetriebe – zusammengehen, ist das eine gesunde Entwicklung. Menschen kommen nicht nur hierher, weil man in Potsdam sehr schön leben kann, sondern gerade auch, weil sie gute Arbeitsplätze finden. Die Stadt hat eine sehr gemischte Wirtschaftsstruktur, insbesondere im Dienstleistungsbereich. Das ist bei konjunkturellen Schwankungen und Krisen ein Vorteil. Übrigens hat Potsdam auch mehr Einpendler als Auspendler, also es kommen mehr in die Stadt, um hier zu arbeiten, als umgekehrt.
Die wachsende Stadt stellt neue Herausforderungen. Ja, wir müssen kräftig in die Infrastruktur investieren, insbesondere bei Kitas, Schulen und dem Straßenverkehr. Wir werden das Straßenbahnnetz ausbauen und die Strecken ausweiten, besonders im Norden, wo die meisten Wohnungen entstehen. Neue Straßenbahnen sorgen für kürzere Frequenzen und sie werden vergrößert, damit mehr Fahrgäste Platz finden. Das Leipziger Dreieck als zentraler Verkehrsknotenpunkt wird komplett umgebaut. Das ist alles in allem für die nächsten fünf Jahre ein Investitionspaket bei Kitas und Schulen von 160 Millionen Euro – da werden nach dem gegenwärtigen Stand nochmals 80 Millionen Euro dazukommen – und beim öffentlichen Personen-Nahverkehr von rund 50 Millionen Euro.
Die wachsende Stadt braucht mitwachsenden Wohnraum. Hier hat die Bauverwaltung schon vorgearbeitet und den Flächennutzungsplan für rund 10.000 Wohnungen vorbereitet. Gebaut wird vorwiegend im Potsdamer Norden, aber auch in der Speicherstadt, in der Heinrich-Mann-Allee. Die Prognosen sagen, dass wir im Jahr 2030 die Einwohnerzahl von 200.000 erreicht haben. Ich schätze, dass wir das – bei anhaltender Dynamik – schon früher erreichen.
Wie funktioniert die Kooperation mit Berlin? Ist es eine Zusammenarbeit mit der ganzen Stadt? Mit Steglitz-Zehlendorf und Spandau haben wir zwei benachbarte Bezirke, mit denen enge und stabile Beziehungen bestehen. Das betrifft alle Bereiche, von der Entwicklung der Baustruktur über die Ansiedlung von Unternehmen bis hin zum Tourismus. Besonders deutlich wird das, wenn wir uns gemeinsam bei Messen und internationalen Veranstaltungen als Metropolenregion präsentieren.
Haben Sie in „Ihrer“ Stadt Lieblingsorte, an denen Sie sich besonders gern aufhalten? Natürlich. Dazu gehört der Foerster-Garten in Bornstedt, wo der Botaniker und Gartenphilosoph einst lebte und arbeitete. Immer wieder gern bin ich auf der Freundschaftsinsel, einer Oase inmitten der Stadt. Die Affinität zum Wasser ist mir – als Kind der Küste – vermutlich angeboren. Deshalb ist für mich jeder Ort am Wasser faszinierend. Da meine Frau und ich ja nun an den Campus am Jungfernsee gezogen sind, kann ich das noch intensiver genießen.
Wie sieht es mit Ihrer persönlichen Lebensplanung aus: Werden Sie 2018 noch einmal bei der Wahl zu Potsdams Oberbürgermeister antreten? Eine viel gestellte Frage. Es ist entschieden zu früh, sie zu beantworten. Ich denke, dass ich das im Laufe des nächsten Jahres tun werde.
www.stgb-brandenburg.de www.potsdam.de