Die GASAG Berliner Gaswerke Aktiengesellschaft, kurz GASAG, ist einer der größten ursprünglich kommunalen Gasversorger in Europa. Die ersten beiden städtischen Gaswerke begannen 1847 in Berlin mit der Beleuchtung von Gaslaternen. Vera Gäde-Butzlaff führt das nach der KPM zweitälteste Unternehmen der Stadt seit 2015. Zuvor war die frühere Richterin, Ministerialdirigentin und Staatssekretärin zwölf Jahre lang im Vorstand der BSR. Wo die GASAG heute steht und wohin die Reise geht – darüber und mehr sprachen Verleger Jürgen H. Blunck und Autor Gerald Backhaus mit der Vorstandsvorsitzenden über den Dächern von Berlin-Mitte.
Frau Gäde-Butzlaff, warum kommt der gemütliche Eisbär in Ihrer aktuellen Werbekampagne „Neu denken mit voller Energie“ nicht mehr vor? Wir haben den weißen Bären nach acht Jahren in Altersteilzeit geschickt. Er wirkt noch beim Eishockeyklub Eisbären sowie in Kindergärten und Schulen. Für uns war er nicht mehr der richtige Repräsentant, weil er zu sehr an die alte GASAG erinnert, wir inzwischen aber die ganze Palette der Energieversorgung abdecken. Neben unserem Stammgeschäft, d.h. der Versorgung mit Gas und dem Betreiben von 14.000 km Netzen, sind wir im Bereich Ökostrom vertreten, erzeugen erfolgreich Energie, betreiben Photovoltaik- und Biogasanlagen und haben gerade einen Windpark in Brandenburg gekauft.
2017 wird die GASAG ihren 170. Geburtstag feiern. Was genau planen Sie im Jubiläumsjahr? Einzelne Aktionen können wir noch nicht verraten, aber natürlich werden wir mit unseren Partnern feiern und etwas für das Wichtigste, was ein Unternehmen hat – die Mitarbeiter –, machen. Wir werfen einen kleinen Blick in die Vergangenheit, denn wir vergessen nicht, woher wir kommen. Vor allem aber werden wir zeigen, wer wir sind und wo wir hinwollen.
Können Sie doch etwas Konkretes verraten? Schon vor dem Geburtstag haben wir uns als Hauptsponsor von „Frau Luna“ im Tipi engagiert. Darin geht es um das alte Berlin, in dem es die GASAG ja auch schon gab. Außerdem übernehmen wir die Weihnachtsbeleuchtung Unter den Linden, um auszudrücken, wie verbunden die GASAG mit der Stadt ist.
Seit 2006 haben Sie mehr als 100.000 Gaskunden an die Konkurrenz, die mit günstigeren Preisen lockt, verloren. Auf dem Gasmarkt tummeln sich in Berlin rund 300, auf dem Strommarkt über 400 Bewerber. Tut das weh? Die Kunden sind preisbewusst, das stimmt. Stellt man die große Zahl unserer Mitbewerber in Rechnung, sind die Wechselraten allerdings überschaubar. Gegen den Branchentrend gewinnen wir sogar Kunden, vor allem im Strombereich. Unter anderem durch unseren Ökostrom bekamen wir in den letzten Jahren 140.000 Neukunden.
Wo sehen Sie Ihren wesentlichen Unterschied zur Konkurrenz? Unsere Kunden schätzen Qualität und Zuverlässigkeit. Ein großer Unterschied zu anderen ist unsere regionale Verbundenheit. Die Berliner und Brandenburger kennen uns, vertrauen uns und honorieren das. Und der Klimaschutz ist uns ein besonderes Anliegen. Stichwort „Initiative für die Wärmewende“, bei der wir Hauptinitiator sind. Gerade Erdgas als klimaschonendster fossiler Energieträger ist da ein wichtiges Element, um die Klimaziele kostengünstig erreichen zu können.
Sie setzen also vor allem auf Kundenbindung. Ja, durch unsere Qualität und vielfältige andere Maßnahmen, zum Beispiel indem wir Fan-Strom und Fan-Gas verkaufen. Mit Vereinen wie den Eisbären, den Füchsen und den Volleys machen wir das schon, und mit weiteren Bundesligavereinen sind wir im Gespräch.
Wie funktioniert das? Der Fan soll sich zwei Mal freuen. Gewinnt seine Mannschaft, erhält er einen Bonus von 50 Cent pro Spiel und der Verein für seine Jugendarbeit parallel auch. In der ersten Saison können so rund 15.000 Euro für die Jugendarbeit bei den Füchsen zusammenkommen, bei den Eisbären noch mehr.
Neben dem Sport sind Sie auch auf kulturellem Gebiet als Sponsor aktiv. Ja, wir engagieren uns vor allem bei Institutionen, die Jugendarbeit machen, wie dem Grips-Theater. Wir fördern Innovatives wie die Neuköllner Oper und Academy! Das ist eine von uns initiierte Bühnenkunstschule, an der kreative junge Leute die Gelegenheit bekommen, sich in Tanz, Sprache und Musik zu üben. Deren Aufführungen sind wunderbar. Außerdem arbeiten wir mit der Berlinischen Galerie zusammen, betreiben einen eigenen Kunstraum und veranstalten einen Literatursalon.
Die GASAG ist den meisten als Gaslieferant ein Begriff. Mit dem hat man als Kunde in der Regel wenig zu tun, außer wenn mal etwas nicht funktioniert oder der Ableser kommt. Wie verändert sich das gerade? Den simplen Gas- und Stromlieferanten gibt es bald nicht mehr. Der Kunde braucht verstärkt Berater für dezentrale und intelligente Lösungen. Hotels zum Beispiel haben andere Bedürfnisse in Sachen Energie als ein Krankenhaus. Da geht es um maßgeschneiderte Lösungen, ähnlich wie wir das z. B. bereits auf dem EUREF-Gelände und bei der Mercedes- Benz-Arena gezeigt haben. Außerdem haben wir die Idee, ganze Quartiere so auszustatten, dass der Klimaschutz dabei durch ein hochmodernes Energiekonzept berücksichtigt wird. Das geht bis hin zu Zusatzangeboten wie den viel diskutierten „Smart-home“-Lösungen. Fest steht, dass die Digitalisierung unser Angebotsspektrum immer mehr verändern wird.
Das klingt nach einem spannenden Transformationsprozess. Ja, und die GASAG hat sehr gute Chancen, dabei ganz vorn mitzumischen. Denken wir an die Universitätslandschaft von Berlin und die große Startup- Dichte – damit beschäftigen wir uns. Mit anderen Firmen zusammen verwirklichen wir auf dem EUREF-Campus gerade eine nachhaltige Lösung für Stadtquartiere. Das hat Modellcharakter. Dort geht es um eine hochmoderne Wärme- und Kälteversorgung mit Biogas und anderen erneuerbaren Energien.
„Der Kunde braucht verstärkt Berater für dezentrale und intelligente Lösungen.“
Wie aktiv sind Sie in Brandenburg? Wir haben zum Beispiel die EMB mit Sitz in Potsdam und sind auch an den Stadtwerken Forst und der SpreeGas in Cottbus beteiligt.
Planen Sie noch weitere Beteiligungen in Brandenburg? Ob Gas, Strom oder Fernwärme – 7.000 km unserer 14.000 km Netze liegen in Brandenburg. Wir bewerben uns weiter um Konzessionen, ob in Kooperation oder allein. Wir werden Beteiligungen im Energiemanagement-Bereich eingehen, nicht nur in Brandenburg, auch in den umliegenden Bundesländern. Wir wollen ja auch in der Energieerzeugung noch aktiver werden.
Im Sommer verkündete Bremen, seine Behörden, Schulen und Kliniken von Ihnen beliefern zu lassen. Das ist allerdings ein reines Liefergeschäft. Trotz unserer regionalen Verbundenheit sind wir auch bundesweit aktiv und beteiligen uns an großen Ausschreibungen. Auch unter den Contracting-Unternehmen Deutschlands gehören wir zu den Top Ten. Da macht man Geschäfte natürlich nicht nur in Berlin und Brandenburg.
Was bedeutet Contracting? Effiziente und klimaschonende Energiekonzepte. Ob Wärme, Strom, Druckluft oder anderes – da geht es von A bis Z, von der ersten Planung über den Bau bis hin zum laufenden Betrieb. Jeder Kunde erhält von uns individuelle und kompetente Lösungen.
Im Mittelpunkt Ihres Strategieprojektes Zukunft GASAG 2023 steht der Anspruch, der „Energiemanager für Berlin und Brandenburg“ zu werden. Wo sehen Sie die GASAG in zwanzig Jahren? Wir werden alles tun, um weiter der Energiepartner für Stadt und Region zu sein. Gas wird auch dann noch eine Bedeutung haben. Ob das Erdgas oder grünes Gas sein wird, vermag ich nicht zu sagen. Die Gasnetze werden auch bei den erneuerbaren Energien eine Rolle spielen, da gibt es große Potenziale.
Wie war Ihr Schritt von der kommunalen BSR zur privaten GASAG? Von meiner persönlichen Tätigkeit her ist der Unterschied nicht sehr groß. Dort wie hier ist das Unternehmen weiter zu entwickeln und Veränderungen zu begleiten. Es gibt das Vorurteil, dass im privaten Bereich Geld verdient werden muss und in einem öffentlichen Unternehmen nicht. Bei einem gut geführten kommunalen Unternehmen wie der BSR geht die Rendite an die Gebührenzahler, was bedeutet, dass es geringere Gebühren gibt. Genauso muss das Kapital, das bei der GASAG eingesetzt wird, angemessen verzinst werden. Von dem, was zu tun ist, ist es also ganz ähnlich: Prozesse effizient zu organisieren und das Zukunftsgeschäft nicht zu verschlafen.
Sie sind in Niedersachsen aufgewachsen und kamen bereits mit 18 Jahren nach Berlin. Was gefällt Ihnen hier am besten? Ich bin absoluter Berlin-Fan. Ob Kultur, Natur oder kulinarisch – ich mag die große Vielfalt, in jeder Beziehung.