Oldtimer?

Die jibbs hia nich. Die müssen loofen ...

„Autopapst“, Autojournalist und Maschinenbau-Ingenieur Andreas Keßler - Fotos: privat

So lange ist das noch gar nicht her, dass man die Oldtimerei in dem einen Teil Deutschlands recht pragmatisch anging: Ein Auto hatte 4 Räder (manchmal sogar nur 3…), einen Motor und musste anspringen, wenn man damit fahren wollte. Das eine oder andere Ersatzteil hatte man im Schuppen, und Beziehungen für die nächste „Regenerierung“ der Kalesche sowieso.

Was sich hier anhört wie die Beschreibung der allgegenwärtigen Oldtimerleidenschaft, war in den rund 40 Jahren, in denen die DDR existierte, automobiler Alltag! Im Gegensatz zur alten Bundesrepublik gab es Autos nämlich nicht in jeder beliebigen Menge, sondern nur auf Antrag und nach langer Wartezeit. Deshalb musste man mit dem fahren, was zuerst der Krieg, später die diversen VEBs oder die spendable Westverwandtschaft in die Garage gerollt hatte. Das Auto als Mangelgut wurde gehegt und gepflegt, einfach ein neues zu kaufen kam kaum jemandem in den Sinn."

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs änderte sich dieser heute wahrscheinlich als „nachhaltig“ bezeichnete Umgang mit älteren und alten Autos radikal: Niemand wollte mehr mit einer „Pappe“ (Trabant, Anm. d. Red.), einem „Sappo“ (Saporoshez, Anm. d. Red.) oder irgend einem anderen der oft als „Gehhilfen“ betitelten Vehikel aus volkseigener Produktion herumfahren. Zu Tausenden landeten Trabant, Wartburg und Lada auf dem Schrotthaufen der Weltgeschichte. Übrig blieben nur Erinnerungen, ein paar Bilderalben und oft veritable Ersatzteillager in Kellern, Garagen und Dachböden.

Und genau damit war der Keim gelegt: Das Oldtimerpflänzchen spross im Osten zwar erst spät und kümmerlich, ist inzwischen aber zu einem kräftigen Bäumchen herangewachsen. Dieser Baum wird groß und kräftig, trägt dann aber höchstwahrscheinlich Blätter, die in der Oldtimerszene recht einmalig sind. Der Grund dafür ist zum Teil derselbe wie in der West-Szene: Es werden immer die Autos zu Sammlerfahrzeugen, die Emotionen wecken oder geweckt haben. Und da vor 40 Jahren jeder junge Mann von einem Trabbi, einem 4-Takt-Wartburg oder sogar einem Lada träumte, sind genau diese „Traumwagen“ zwischen Elbe und Oder inzwischen auf jedem Oldtimertreffen zahlreich und sogar schon restauriert zu finden.

Der Stuttgarter oder Essener wird die „Ost-Autos“ als Exoten betrachten und sie vielleicht nicht richtig ernst nehmen, das kümmert Aussteller und Besucher auf den Oldtimer-Messen in Erfurt, Halle, Magdeburg und Neuruppin (um nur ein paar zu nennen!) aber herzlich wenig. Für Ost wie West gilt nämlich das Gleiche: Die eigenen Erinnerungen sind immer die schönsten, und wenn man diese mit einem Jugendtraum abrunden kann, der heute noch fährt, bekommt der Begriff „Glück“ eine völlig neue Konnotation. Die Oldtimer-Treffen wären ohne die DDR-Geschichte mit ihrer speziellen Mobilitätshistorie heute kaum möglich: Hätte der Ossi nicht immer alles, dessen er habhaft werden konnte, gehortet, wäre der Teilenachschub bei weitem nicht so ergiebig, wie er jetzt noch ist. Immer wieder tauchen größere Posten aus Nachlässen auf, die später auf den Holztischen der Teilehändler liegen. Weggeworfen wurde nämlich nichts, es hätte ja jemand danach suchen können. Die westdeutsche Mentalität war (und ist …) da völlig anders: Was aus den Ersatzteillagern von einigen großen Autohändlern in den 70ern und 80ern des letzten Jahrhunderts „mal schnell“ in den Schrottcontainer wanderte, möchte man sich heute lieber nicht mehr vorstellen.

„Hätte der Ossi nicht immer alles, dessen er habhaft werden konnte, gehortet, wäre der Teilenachschub bei weitem nicht so ergiebig, wie er jetzt noch ist.“

Trotzdem reißt der Nachschub für die Klassiker aus dem „kapitalistischen Ausland“ nicht ab. Die meisten Hersteller der aktuell als Old-, Young- oder Waittimer bezeichneten Autos existieren noch und verkaufen nicht nur die modernen Nachfolger von Barockengel, Heckflosse und Opel Rekord, sondern produzieren sogar (wieder) Ersatzteile für die Urahnen der heutigen Umsatzbringer. Die westdeutsche Autoindustrie hat den Klassik-Bereich als renditestarke Nische erkannt und lässt nichts unversucht, um den zahlungskräftigen Oldtimer-Fans die Euros aus der Tasche zu ziehen. Diese Bestrebungen führen aber aktuell zu einer gewissen Überhitzung des Marktes: Wer gerade in Stuttgart auf der Retro-Classics war, musste nach Autos, die nicht in Zuffenhausen oder Untertürckheim das Fließband verlassen haben, regelrecht suchen. Klassische Mercedes und Porsche dominierten die Ausstellungsflächen derart, dass es fast langweilig wurde. Den zuletzt durch die Decke schießenden Verkaufspreisen hat das (scheinbar?) einen Dämpfer versetzt, zumindest waren die Preissprünge diesmal nicht mehr ganz so dreist wie im Vorjahr.

Wem das „Bling-Bling“, die überteuerten und überrestaurierten Image-Verstärker oder die ungenießbare Messeverpflegung inzwischen auf die Nerven geht, der sollte sich mal östlich der Elbe unters Oldtimer-Volk mischen. Hier gibt es noch ehrliche Bratwürste zu kalkulierten (und nicht gewürfelten …) Preisen, hier reagiert die örtliche Hotellerie nach Bekanntgabe der Messetermine nicht mit einer Verschiebung des Kommas nach rechts und hier trifft man nicht nur Verkäufer, sondern Leute mit Herzblut für die Sache, die einen Vergaser noch nach Gehör einstellen können (oder es wenigstens glaubhafter versichern als andernorts!).

Das Angebot ist dabei allerdings oft auf Produkte aus dem RGWGebiet (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, Anm. d. Red.), durchsetzt mit Vorkriegstechnik, konzentriert, was erneut an der Geschichte, aber auch an der nicht so hohen Kaufkraft der Ost-Szene liegt. Da man aber als Ossi schon immer aus Pferdeäpfeln Sahnebonbons machen konnte, ist dieser Umstand nachgerade zum Vorteil mutiert: Wo das Geld für eine aufwändige Totalrestauration vor 15 Jahren einfach nicht da war, steht heute ein eben unrestaurierter, aber dafür authentischer Zeitzeuge, der allerbestens das macht, wofür er gebaut wurde: Auto fahren!