Im Jahr 2003 reiste Barbara Thieme zum ersten Mal nach Gambia. Das kleinste Land Afrikas mit den offenen, herzlichen Menschen faszinierte die Fotografin, die von da an immer wieder dorthin zurückkehrte. Nun liegt ihr Buch „Unterwegs in Gambia“ vor, das mit seinem originellen Perspektivwechsel mehr ist als eine Fotosammlung.
Eigentlich wollten Sie ja jetzt gerade in Gambia sein.
Ja, aber die politischen Verhältnisse im Land haben mich veranlasst, die Reise zu verschieben.
Für ihr Projekt gaben Sie die Kamera aus der Hand.
Nicht die eine Kamera, sondern mehrere kleine Kompaktkameras. Die 13 Geschichten in meinem Buch haben natürlich eine Entstehungsgeschichte. Bei meinen Aufenthalten zwischen 2003 und 2011 war ich viel im Land unterwegs, fotografierte, sprach ausgiebig mit Menschen und erfuhr so viel von ihrem Leben. So kam ich auf die Idee zu diesem Projekt, dass Gambier nicht nur von ihrem Alltag berichten, sondern ihn selbst fotografieren.
Nach welchen Kriterien wählten Sie die Protagonisten aus?
Für das Projekt suchte ich auf dem Land und in der Stadt den Kontakt zu Menschen unterschiedlicher Stammeszugehörigkeit und sozialer Herkunft, unterschiedlichen Alters, zu Menschen mit und ohne Schulbildung, Studium oder Beruf.
Mussten Sie viel Überzeugungsarbeit leisten oder stießen Sie auf Schwierigkeiten?
Nein, denn ich kannte ja die Frauen und Männer. Viel schwieriger war die Auswahl der Personen für das Buch, denn es waren natürlich mehr als die 13, für die ich mich dann letztendlich entschied. Auch danach wurde es nicht einfacher, denn ich musste Hunderte Bilder und viele Stunden Gesprächsprotokolle sichten und bewerten. Manche/r hatte die Kapazität der gesamten Speicherkarte ausgenutzt oder fotografiert, bis der Akku alle war. In den Texten entschied ich mich dann für die Ich-Form, was die Nähe zu den einzelnen Menschen vertieft.
Wen lernen wir in Ihrem Buch kennen?
Dazu gehören Somkaru, der seit seiner Kindheit im Rollstuhl sitzt, und die Lehrerin Sarjo, die zwei Wochen nach der Geburt ihres dritten Sohnes in der Schule wieder zu unterrichten begann, weil sie ihren Beruf so liebt. Ich traf Nyama, eine der weisen Frauen am heiligen Krokodilbecken von Folonko. Und ich sprach mit dem 17-jährigen Gymnasiasten Alieu, der in seinem dritten Lebensjahr erblindet ist. Er erzählte mir, wie wichtig Bildung für ihn ist und dass er viele Bücher in Blindenschrift gelesen hat, so auch Harry Potter. Auch Alieu war vom Fotografieren begeistert und seine Bilder zeigen uns seinen Alltag, den er nur hört und fühlt.
Wer hat Sie besonders beeindruckt?
Wenn ich schon jemanden auswählen muss, dann ist es die sehr betagte Hebamme Bintou, deren Foto auch auf dem Titel des Buchs zu sehen ist. Ich durfte sie zu Geburten begleiten. So kam es, dass es nun in Gambia gleich mehrere kleine Mädchen gibt, die Barbara heißen. Für mich war ihre Lebensgeschichte und ihr Alltag emotional sehr bewegend.
Nutzen Sie das umfangreiche Material auch über das Buch hinaus?
Neben Lesungen wird es verschiedene Ausstellungen geben, die erste läuft gegenwärtig im Frauenzentrum Potsdam es folgen weitere im Rechenzentrum, im Potsdamer Kultur- und Kreativhaus, anschließend dann Berlin.