Erste Kontakte knüpften die Stadtoberhäupter schon vor über zehn Jahren. Ende April besiegelten Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs und sein Amtskollege Khatib Abdulrahman Khatib aus Sansibar-Stadt bei einem Festakt im Filmmuseum mit ihrer Unterschrift die Gründung einer Städtepartnerschaft.
Sansibar …? Wer jetzt an gekreuzte Schwerter, den wohl bekanntesten Kiosk hierzulande und die Insel Sylt denkt, fährt auf schmaler Spur. Dennoch ist Insel ein brauchbares Stichwort, Sansibar mit seinem türkisfarbenen Wasser, den weißen Sandstränden und exotischen Märkten gehört zu den buntesten und schönsten Inseln vor Afrika. Die Hauptstadt heißt praktischerweise Sansibar- Stadt. Sie und Potsdam verbindet eine lange Geschichte. Schon im September 1889 besuchte die erste Gesandtschaft des Sultans von Sansibar den deutschen Kaiser in Potsdam. In den 1960er-Jahren des 20. Jahrhunderts, nachdem sich Tanganjika und Sansibar zum unabhängigen Staat Tansania vereinigten, gehörten Potsdamer zu den Ersten, die dort Entwicklungshilfe leisteten."
„Potsdams Städtepartnerschaften leben vom Engagement der Bürgerinnen und Bürger und von den Ideen zahlreicher Vereine, Verbände und Institutionen“, betonte Dr. Sigrid Sommer, Leiterin Marketing der Landeshauptstadt Potsdam, bei der festlichen Veranstaltung. Es waren Schulen und Hochschulen in Potsdam, aber auch die IHK, die im Jahr 2006 begannen, vielfältige fachliche und persönliche Kontakte zu der ostafrikanischen Insel zu entwickeln und gemeinsame Projekte zu realisieren. Im Februar dieses Jahres gründete sich der Freundeskreis Potsdam-Sansibar. Maßgeblich daran beteiligt war die Berlin- Brandenburgische Auslandsgesellschaft. Seit 2014 gibt es eine Klimapartnerschaft e. V. zwischen beiden Städten, die mehr Gemeinsamkeiten aufweisen, als es auf den ersten Blick scheinen will. So verbindet die knapp 7.000 Kilometer voneinander entfernten Städte die Zugehörigkeit zum UNESCO-Welterbe oder auch das Thema Film.
Am Tag nach der offiziell besiegelten Städtepartnerschaft taufte Oberbürgermeister Jann Jakobs zusammen mit der sansibarischen Delegation unter der Leitung seines Amtskollegen Khatib Abdulrahman Khatib eine Straßenbahn auf den Namen Sansibar. Gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Potsdamer Verkehrsbetriebe (ViP), Martin Grießner, wurde der Schriftzug „Sansibar“ seitlich an der Straßenbahn angebracht und somit die Taufe vollzogen. Im Straßenbahnnetz des Potsdamer Verkehrsbetriebes sind nun Bahnen mit den Namen von Perugia, Opole, Luzern, Bonn, Jyväskylä, Sioux Falls, Versailles und Sansibar unterwegs und werben auf diese Weise für die Partnerschaften.
Tim und Maurice
Tim Elske und Maurice Nießl geben ehrlich zu, dass sie noch vor ein paar Monaten ihre Kenntnisse über Sansibar zwischen recht wenig und nichts einordneten. Das änderte sich schlagartig, als Karin Bethke von der IHK Potsdam im Herbst vergangenen Jahres ins Oberstufenzentrum Havelland kam. Die Mobilitätsberaterin stellte den Auszubildenden verschiedene Möglichkeiten von Auslandspraktika vor. Schwerpunkt dabei ist das Programm „Berufsbildung ohne Grenzen“, das Praktika in EU-Mitgliedsländern fördert. Als Karin Bethke mit den beiden angehenden Brunnenbauern ins Gespräch kam, gingen ihre Gedanken über die europäischen Grenzen hinaus. Mit dem Satz „Ihr müsst nach Afrika!“ brachte sie den Stein ins Rollen, schließlich verändern dort in vielen Ländern Brunnen das Leben ganzer Dörfer. „Das hat uns vom ersten Moment an begeistert“, berichtet Tim Elske. Fachfrau Karin Bethke berichtete ihnen über das Brandenburger Programm „Jugend für Entwicklungszusammenarbeit“, das bei derartigen Projekten greift. „Und schon begannen wir zu planen“, so Tim Elske, Brunnenbauer im 2. Ausbildungsjahr wie auch Maurice Nießl. Beide lernten sich in ihrer Ausbildung kennen, inzwischen sind sie gute Freunde. Abenteuer Afrika? „Ja, sicher, aber gleichzeitig freuen wir uns darauf, unser Wissen und unsere Fähigkeiten praktisch anzuwenden. Sauberes Trinkwasser ist in Afrika ein kostbares Gut“, erklärt Tim Elske. Die beiden angehenden Brunnenbauer haben inzwischen viel über Sansibar gelesen und büffeln in ihrer Freizeit Englisch. Wenn alles wie geplant läuft, wollen sie irgendwann im Zeitraum zwischen Oktober 2017 und Februar 2018 nach Sansibar gehen. Bis dahin müssen sie noch einen Fachbetrieb vor Ort finden. Aber auch damit haben sie schon begonnen.
Ein Schulbus für Sansibar
Afrika hat die Potsdamerin Martina Löffler schon bei der ersten ihrer vielen dienstlichen Reisen fasziniert. „Es ist wohl die Mischung aus Gelassenheit und Ursprünglichkeit“, überlegt sie. Gemeinsam mit den Potsdamer Design-Expertinnen Theresa Kloss und Carmen Schmalfuß-Gross wirkte Martina Löffler an der Inneneinrichtung des Hotel Park Hyatt Zanzibar, direkt im Weltkulturerbe Stone Town gelegen, mit. Bis das Haus am weißen Sandstrand des Indischen Ozeans im Frühjahr 2015 eröffnet wurde, reiste das kreative Dreierteam häufig nach Sansibar. Gelegenheit, Land und Leute, aber auch abseits der typischen Klischees die moderne Foto-, Kunstund Schmuck-Szene kennenzulernen. „Freitags ist in Sansibar-Town ein runder Tisch, an dem sich die Menschen treffen, die etwas bewegen möchten, also im wahrsten Wortsinn Unternehmer. Dort lernten wir Judy Palmer kennen, Gründerin der Creative Education School of Zanzibar, in der Kinder nach dem pädagogischen Prinzip der Waldorfschule unterrichtet werden. Das Prinzip des fördernden Lernens ist durchaus außergewöhnlich für Afrika. „An dieser privaten Schule finden auch die Ärmsten einen Platz dank Unterstützung aus vielen Ländern der Welt“, erklärt Martina Löffler. Über Bleistifte und Schreibhefte wuchs das ehrgeizige Projekt, Geld für einen neuen Schulbus zu sammeln. Seit Jahren bewältigt ein klappriger Bus, der für elf Erwachsene ausgerichtet ist, die täglichen Touren zur Schule und wieder nach Hause für 47 Kinder. Wie aber die notwendigen 23.000 Dollar für einen neuen Bus zusammenbekommen? Kreative Frauen sind nun mal erfindungsreich und entwickelten einen Plan: Sie knüpften ein Band zwischen der karitativen Idee und der Vermarktung moderner afrikanischer Kunst. So entstand das Design-Label MACE, das ganz nebenbei andere Kulturen erleben lässt. „Afrika hat eine sehr moderne Design- Szene“, weiß Martina Löffler.
Von Mitte Januar bis Mitte März eröffnete MACE in den Designetagen in Potsdam den African Pop Up Store „African Lifestyle and Gems“. Zu sehen und zu kaufen waren neben mittel- bis großformatigen Fotos des australischen Abenteurers Dominyk Lever, der am Fuße des Kilimandscharo lebt, auch die exklusiven Schmuckkreationen aus Ebenholz, Gold, Silber und Edelsteinen von Elias Jewellers. Dahinter steht Anwar Elias, der in mittlerweile sechster Generation das sansibarische Juwelier-Label weiterführt. Herzstück ist die Verarbeitung des purpur-, bläulichbis lila-farbenen Edelsteins Tansanit. Dessen Geschichte begann erst im Jahr 1967 mit einem ersten Fund im Norden Tansanias. Von hier kommen Kristalle in feinster Qualität. Nur in der Region Hindukusch in Pakistan existiert ein zweiter Ort, an dem Tansanit gefunden wird. Anwar Elias verarbeitet die Edelsteine zu eleganten, sportlichen und vor allem exklusiven Stücken. Besonders ansprechend sind seine Armbänder, in denen er farbbrillantes Fischnetzgarn mit ungeschliffenen Tansaniten, Weißgold, Gold, Silber und Ebenholz verbindet. „In unserem fraulichen Leichtsinn haben wir angenommen, dass wir schon beim African Pop Up Store die 23.000 Dollar zusammenbekommen“, konstatiert Martina Löffler. Es waren gerade mal 8.000 Dollar. Doch Theresa Kloss, Martina Löffler und Carmen Schmalfuß-Gross sind keine Frauen, die so schnell aufgeben. Sie suchen weiter nach Partnern, um Plattformen für den Verkauf der Fotos und des Schmucks zu finden, um den neuen Schulbus ins Rollen zu bringen.
Städtepartnerschaften sind beinahe 100 Jahre alt, Schöpfer waren das englische Keighley und das französische Poix-du- Nord, die 1921 einen ersten Vertrag eingingen. Die erste Partnerschaft hierzulande erfolgte 1925 zwischen Kiel und Sonderburg (Dänemark). Neben Sansibar ist Potsdam mit acht weiteren Städten in Europa und den USA verbunden: Opole (Polen), Jyväskylä (Finnland), Bonn (Deutschland), Perugia (Italien), Sioux Falls (USA), Luzern (Schweiz), Versailles (Frankreich) und Bobigny (Frankreich).
www.potsdam.de www.sansibar-potsdam.de www.mace-fine-art.com