Die Menge johlt und jubelt. Genau deswegen sind sie hergekommen. Das wollen sie sehen. Es ist der Kampf David gegen Goliath. Und wie immer fi ebert die Masse mit dem vermeintlich Schwachen mit. Wie bei der bekannten Erzählung besiegt am Ende der Kleine den Großen – nur, dass die Waff e keine Schleuder, sondern ein orangener Trabi ist und Goliath in einem mindestens dreimal so starken BMW M3 sitzt. David ist in diesem Fall Wolfgang Ziegler, ein schwäbischer Speditionsunternehmer, den es irgendwie in diesen ungewöhnlichen Trabant ver-schlagen hat. Den Zuschauern gefällt es. Trabis sind längst kein alter Ost-Schrott mehr, sondern Kult.
Das war bei der Wiedervereinigung freilich ganz anders. Die DDR-Bürger wollten ihre „Rennpappe“ möglichst schnell loshaben und fegten dabei den westdeutschen Automarkt leer. Für gebrauchte Schrottkarren wurden horrende Preise ausgerufen. Dagegen war ein Trabi bereits für einen Kasten Bier zu haben. Wolfgang Ziegler nutzte die Gunst der Stunde. Als seine Mitarbeiter für Firmenfahrten ein Fahrzeug forderten, stellte der Schwabe unter verdatterten Blicken einen Trabant auf den Hof. Wirklich fahren wollten den ostdeutschen Import niemand. Also setzte sich der Chef selbst hinter das Steuer und lernte seine zukünftige Frau kennen. „Der Trabi hat für mich Herzen erobert“, lacht Ziegler in der Erinnerung daran. Zum Rennauto war es da noch ein langer Weg. Dabei war Motorsport mit dem „Plastik“-Bomber nichts Ungewöhnliches. Bis in die 80er-Jahre waren die Trabis im Werkseinsatz bei Rallyes äußerst erfolgreich – unter anderem gab es Erfolge bei der legendären Rallye Monte Carlo. Der Rundstreckensport war den Privatiers vorbehalten. Über 100.000 Zuschauer pilgerten zum Schleizer-Dreieck oder ins tschechische Most, um die Pappkameraden auf der Strecke zu sehen. An die 170 km/h waren die Leichtgewichte schnell. Die Zweitakter leisteten um die 65 PS. Zieglers Trabant bringt es gar auf 80 Pferdestärken bei nur 600 kg Gewicht.
Von solchen Zahlen konnte der DDR-Bürger freilich nur träumen. Mit 26 PS ruckelte der Zweitakter über ostdeutsche Straßen. Erst 1990 gab es mit dem Trabant 1.1 mehr Pferdestärken. Der leistete stolze 40 PS – mit einem Lizenzprodukt von Volkswagen unter der Haube. Doch die Uhr war für den Trabi abgelaufen. Ein Jahr später lief die Produktion nach 33 Jahren und über drei Millionen Exemplaren aus. Dennoch war der Trabant eine Erfolgsgeschichte, zumindest am Anfang. Am 7. November 1957 knatterte mit dem „P50“ die erste Pappe im VEB-Automobilwerk Zwickau, dem ehemaligen Audi-Werk, vom Band. Dem Trabant sollte eine ähnliche Rolle wie dem VW Käfer in Westdeutschland zufallen und er sollte zur Massenmotorisierung der DDR-Bürger beitragen. Dabei war dieser Schritt von der DDR-Führung zunächst gar nicht gewollt. Doch um mit dem Westen wirtschaftlich gleichzuziehen, beschloss das Politbüro 1954 einen neuen Kleinwagen in Auftrag zu geben. Dieser sollte robust und preiswert sein. Weil Blech wegen des westlichen Embargos und fehlender sowjetischer Qualität Mangelware war, wurde die berühmte Kunststoff-Karosserie aus Duroplast entwickelt. Dazu wurden Baumwollfasern zu Vliesmatten verdichtet und mit Phenolharz vermischt. Nachdem die Karosserieteile in Heißpressen geformt wurden, verband man diese mit Kautschuk an den Nahtstellen und einzelnen Schrauben mit dem Stahlgerippe.
Nach den 50 Nullserienwagen startete im Jahr darauf die Serienproduktion. Dafür wurde das Automobilwerk Zwickau mit dem VEB Sachsenring fusioniert, um mehr Kapazitäten zu schaffen. Bis 1962 sollten insgesamt 131.450 Wagen in verschiedenen Varianten gebaut werden. Im Gegensatz zu später wurde der Trabant zuerst noch fortlaufend weiterentwickelt. Anfangs leistete der 500 ccm große Zweitakt-Motor 18 PS. Für das Modelljahr 1963 wurde der Zweitakter grundlegend überarbeitet. Der Hubraum wurde durch eine größere Zylinderbohrung auf 599 ccm erhöht, wodurch die Motorleistung nun 23 PS betrug. Äußerlich blieb der Trabant im Grunde weiterhin unverändert. Das änderte sich mit dem P601, der ab 1964 in Serie produziert wurde. Eine geradere Linienführung sowie eine angedeutete Heckflosse machten den Trabant etwas zeitgemäßer. Während im Westen längst die wesentlich ruhigeren Viertakter den Ton angaben, setzte man in der DDR weiterhin auf den von den Barkas-Werken produzierten Zweitakter, der in seinen Ursprüngen auf den Motorrad-Motoren von DKW aus den 30er-Jahren fußte. Eigentlich hätte die Produktion 1967 auslaufen sollen, doch der vorgesehene Nachfolger ließ weiter auf sich warten. Gab es in den 60er-Jahren noch Verbesserungen wie eine halbautomatische, elektrohydraulische Kupplung sowie Verbesserungen am nun 26 PS starken Motor, wurde die Entwicklung nur auf Details konzentriert. Unter anderem erhielt der Trabant eine elektrische Scheibenwischwaschanlage, stärkere Scheinwerfer und ein paar Verbesserungen im Cockpit. Neben der Standardvariante gab es von der Limousine und dem Kombi die S-Version, wobei das S für Sonderwunsch stand. Das Topmodell „S de Luxe“ verfügte so über eine zweifarbige Lackierung, Zusatzscheinwerfer und/ oder eine Nebelschluss- bzw. Rückfahrleuchte.
Spätestens in den 80er-Jahren war der Trabant 601 völlig veraltet und selbst in den sozialistischen Bruderstaaten, wohin der Trabi lange erfolgreich exportiert wurde, nicht mehr gefragt. Die Weiterentwicklung verwehrte die politische Führung weiterhin, sodass gerade die Trabant-Produktion die wirtschaftliche Erstarrung der DDR widerspiegelt. Erst Ende der 80er-Jahre sollte mit dem Trabant 1.1 ein Nachfolger erscheinen. Neu war vor allem die Technik. Der alte Zweitakter wurde durch einen moderneren Viertakter ersetzt. Hierfür erwarb der IFA von Volkswagen die Lizenz sowie die Produktionsstraße zum Nachbau des Polo-Motors. Das neue Triebwerk verschlang so viel Geld, dass der Trabant äußerlich weitestgehend unverändert blieb. Als der 18.900 Ost-Mark teure 1.1 im Herbst 1989 vorgestellt wurde, war der Trabant nicht mehr gefragt. Die Besteller wollten den kaum veränderten 1.1 nach teilweise mehr als zehn Jahren Wartezeit nicht. Zwar ging das Fahrzeug im Folgejahr noch in Serienproduktion, doch kaufen wollte ihn kaum noch jemand. Am 30. April 1991 endete nach 33 Jahren die Serienproduktion des Trabants.
Der treue Begleiter verschwand zusehends aus dem Straßenbild. Doch mit dem Youngtimer-Boom wandelte sich das Image. Mittlerweile sind noch fast 35.000 Trabants angemeldet, Tendenz weiter steigend. Ein Online-Ersatzteilehandel in Zwickau bietet inzwischen eine breite Palette von Ersatzteilen an. In Brandenburg findet man gar eine Spezialwerkstatt für Trabis. Dazu gibt es viele Trabi-Clubs. Wolfgang Ziegler trägt seinen Teil dazu bei. Mit seinem Renntrabant nimmt der Schwabe Jahr für Jahr an unzähligen Motorsportveranstaltungen teil. Die Zuschauer lieben das typische „Reng- Deng-Deng“ des Zweitakters. Wie ein Go-Kart mit Türen, umschreibt Ziegler das Fahrgefühl in der Rennpappe. Die kommt aber nicht so ganz ohne West-Technik aus. Vorne stammen die Bremsen vom Golf, hinten vom Polo. Ansonsten ist alles modifizierte Serientechnik, denn die ist besonders robust. Zumindest die Zielvorgabe, einen robusten Kleinwagen zu schaffen, hat die DDR-Führung erreicht. Vielleicht sogar übertroffen. Denn Zieglers Trabi rennt und siegt auch 26 Jahre nach Produktionsende weiter.