Die AOK Nordost und die Charité-Sportmedizin erproben gemeinsam einen neuen Ansatz in der Krebsnachsorge: In einem Modellprojekt testen sie, ob Krebspatienten mittels telemedizinischer Unterstützung leichter einen Zugang zur Sporttherapie finden und ob diese Form der Sporttherapie im Vergleich zu Krebssportgruppen ähnlich positive, wenn nicht gar bessere Ergebnisse erzielt.
Dass Sport und Bewegung eine wichtige Rolle bei der Vorbeugung von Krebs spielen, beweisen zahlreiche Studien, die zeigen: Menschen, die sich viel bewegen, senken ihr Risiko, zumindest an einigen der häufigsten Krebsarten zu erkranken. Ob man körperlich arbeitet oder Ausdauer- oder Kraftsport betreibt, scheint dabei weniger wichtig zu sein. Und nach einer Erkrankung? Krebs und Sport? „Bereits während der Therapie erzielen wir mit medizinisch begleiteter Bewegung positive gesundheitliche Effekte, unabhängig von der Therapieform, ob der Patient operiert wurde, eine Strahlen- oder Chemotherapie erhielt oder medikamentös behandelt wird“, weiß Univ.-Prof. Dr. med. Bernd Wolfarth von der Abt. Sportmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin. Der Wissenschaftler mit den Schwerpunkten Innere Medizin, Sportmedizin, Präventivmedizin (DGPR) und Ernährungsmedizin (DGEM) kennt Auswirkungen der Therapien auf die Patienten, die durch eine mangelnde Leistungsfähigkeit und ein chronisches Müdigkeitssyndrom in ihrer Lebensqualität und der Alltagstauglichkeit eingeschränkt sind. Die Aufgabenstellung hier: „Wie bringe ich dem Patienten bei, dass er Sport treiben soll, weil sich die körperliche Aktivität insgesamt positiv auf den Gesundheitszustand auswirkt?“ In Berlin und den großen Städten Brandenburgs sind Krebssportgruppen, die von einem medizinisch ausgebildeten Fachmann geleitet werden, gut verteilt. „Anders sieht es in den ländlichen Gebieten Brandenburgs und Mecklenburg- Vorpommerns aus, hier haben nicht alle Patienten Zugang zu entsprechenden Krebssportgruppen. Hinzu kommt, dass nicht jede Sportgruppe für jeden Patienten passt – Sport nach einer so schweren Erkrankung verlangt ein individuelles Bewegungstraining“, erklärt Prof. Dr. Wolfarth, der auch Sportmedizin am Institut für Sportwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin lehrt.
Diese Situation war für die AOK Nordost und die Charité-Sportmedizin Ausgangspunkt, einen neuen Weg in der Krebsnachsorge zu suchen, insbesondere für Patienten in ländlichen Regionen und/ oder Patienten mit sehr spezifischen Krankheitsbildern. Die modernen Möglichkeiten der Telemedizin mit ihren technischen Mitteln sollen Patienten helfen, einen für sie passenden Zugang zur Sporttherapie zu finden. Mitte Juli startete das Modellprojekt. „Wir hoffen, dass wir im Rahmen dieses Modellprojektes auch die Patienten erreichen, für die Training in einer Krebssportgruppe nicht in Betracht käme. Die positive Wirkung von Sport im Rahmen des Heilungsprozesses nach einer Krebserkrankung ist wissenschaftlich nachgewiesen“, so Stefanie Stoff-Ahnis, Mitglied der Geschäftsleitung der AOK Nordost.
In dem Modellprojekt wird eine Teilnehmergruppe von 150 Krebspatient*innen, die sich in der Nachsorge befinden, im Rahmen einer Vergleichsstudie in zwei Gruppen eingeteilt. Beide Gruppen unterziehen sich zu Beginn des Projektes einer speziellen sportmedizinischen Eingangsuntersuchung bei der Charité- Sportmedizin. Auf deren Basis ergibt sich eine individualisierte Bewegungs- und Trainingsempfehlung. Die eine Gruppe setzt diese innerhalb einer traditionellen Krebssportgruppe um. Die andere erhält sechs von einem Sporttherapeuten geleitete Trainingseinheiten, die sie mithilfe eines speziellen Aktivitätstrackers eigenständig zu Hause fortführt. Dieser Tracker misst das Ausmaß und die Intensität der körperlichen Aktivität der Patienten und übermittelt die Daten zur Kontrolle und gegebenenfalls Anpassung an eine sportwissenschaftliche Bewegungslotsin der Charité. Letztere steht den Teilnehmern auch als persönliche Ansprechpartnerin zur Seite. „Wir erhalten vergleichbare Parameter über einen langen Zeitraum“, so Prof. Dr. Bernd Wolfarth. Die eingeschriebenen Patienten werden nach sechs Monaten und dann noch einmal nach Ablauf eines Jahres zur Abschlussuntersuchung und Befragung eingeladen. Das Modellprojekt wird insgesamt dreieinhalb Jahre laufen. Und wenn es sich als erfolgreich erweist? „Dann kann dieses sportmedizinisch fundierte Trainingsprogramm Standard werden“, antwortet Prof. Dr. Wolfarth. Die Gesundheitskasse hat für diesen Fall zugesagt, eine Einbindung dieses Konzeptes in „die selektivvertragliche Versorgung“ – so der Begriff aus dem Regelwerk der gesetzlichen Krankenversicherung – zu prüfen.
www.aok.de/nordost
www.sportmedizin.charite.de
www.krebsinformationsdienst.de