Interview mit Peter Heydenbluth, Präsident der IHK Potsdam, der eine Bilanz von 2018 zieht und mit hohen Erwartungen in das neue Jahr blickt.
Was war besonders markant im zurückliegenden Jahr 2018?
Offenbar kommt in unsere Landesregierung – und das vor den Landtagswahlen – keine Ruhe mehr ‘rein. Erst treten der Wirtschaftsminister und die Arbeitsministerin zurück, die Nachfolgerin wird im Herbst nicht kandidieren, und alles scheint sich um die Lausitz zu drehen. Gründe zum Schwarzmalen sind das zwar nicht, weil es der Wirtschaft konjunkturell noch gut geht. Gleichwohl stehen wir im ganzen Land vor enormen Herausforderungen und dafür braucht es eine zukunftsstarke Landesregierung.
Welche Herausforderungen sind das?
Die Stabilität unserer Unternehmen nicht nur zu erhalten, sondern sie auch im Zusammenhang mit der Digitalisierung weiter zu entwickeln. Das kann aber nur funktionieren, wenn endlich die technischen Voraussetzungen geschaffen werden – und zwar bis in die Landkreise und Gemeinden hinein. Das dauert alles viel zu lange und geschieht aus meiner Sicht auch nicht mit der nötigen Weitsicht. Gerade diese Infrastruktur gehört – neben Straße, Schiene und Wasserwegen – zu den wichtigsten für die regionale Wirtschaft.
Aber nicht alles geht online?
Nein, natürlich muss man gerade in einem Flächenland erst einmal zu seiner Arbeit hinkommen können. Dafür brauchen wir Mobilität gerade im ländlichen Raum. Deshalb kämpfen wir für ein kostenfreies Azubi-Ticket.
Das ja jetzt kommen soll, wie das Land mitgeteilt hat.
Schon, aber die Umsetzung durch die Politik erfolgt nur halbherzig. Ein Euro pro Tag für freie Fahrt in Bus und Bahn klingt erst einmal gut. Aber was machen denn die Auszubildenden auf dem Land, die aufs Moped angewiesen sind, weil dort nichts fährt? Wenn ich dann höre, dass das Verkehrsministerium die Förderung des stattdessen notwendigen Individualverkehrs gar nicht in Erwägung zieht oder sogar ablehnt, dann ist das aus Sicht der Wirtschaft unverständlich.
Was klemmt also?
Dass unsere Forderung eines Azubi-Tickets für unsere Brandenburger Auszubildenden bisher nicht verstanden wurde. Noch im Herbst haben wir mit dem Ministerpräsidenten, den Kammern und den Gewerkschaften den Ausbildungskonsens unterzeichnet und darin steht festgeschrieben, dass wir die Mobilität der Jugendlichen verbessern müssen. Dazu müssen jetzt Taten folgen, schließlich wollen wir damit die Abwanderung in andere Bundesländer – auch nach Berlin – mindern. Wir brauchen die jungen Leute schließlich hier in unseren Betrieben.
Gegen das weiter wachsende Fachkräfteproblem?
Von den Auszubildenden bis hin zu den Unternehmern selbst, und zwar in allen Branchen. Wir wissen: Ein Drittel der Betriebe würde sofort Leute einstellen und immer mehr Firmen zahlen ihren Auszubildenden schon „über Tarif“. Aber dennoch fehlt qualifizierter Nachwuchs. Im Übrigen auch bei den fast 3.500 Unternehmensnachfolgen, die uns künftig bevorstehenden werden – und zwar jedes Jahr.
Sind die Probleme auf dem Lande andere?
Zum Teil. Den ländlichen Raum stärken – das ist eines meiner Hauptanliegen. Unsere Vollversammlung hat noch einmal ihren Beschluss bekräftigt, hierfür auch die RegionalCenter zu stärken, damit kurze Wege zu erhalten und sie als Treffpunkte für die regionale Wirtschaft leicht zugänglich zu machen. Umso mehr freue ich mich, dass der Bau unseres neuen RegionalCenters in Neuruppin abgeschlossen und übergeben ist. Doch wir tun noch mehr. So legen wir mit unseren Gewerbeflächenstudien auch gegenüber der Politik den Finger für die spezifische regionale Entwicklung in die Wunde. Und siehe da, es funktioniert. Mit ausnahmslos allen Analysen haben wir die kommunale Politik bis hin zur Landesebene erreicht und entscheidende Impulse gesetzt. Teltow- Fläming, Ostprignitz-Ruppin, die Landeshauptstadt Potsdam sowie die kreisfreie Stadt Brandenburg an der Havel, die Landkreise Oberhavel und Havelland: Das enorme öffentliche Interesse gibt uns Recht, dass unsere Untersuchungen keine Meckerei sind, sondern als Entwicklungsinstrumente eingesetzt werden, wie die Ausweisung neuer Gewerbeflächen im Norden von Oberhavel oder die neue Diskussion um den traditionellen Industriestandort Kirchmöser zeigen. Nun ist die Prignitz an der Reihe und das Gutachten zu Potsdam-Mittelmark im Sommer wird den Abschluss bilden.
Geht es einer der Hauptsäulen der IHK, der Aus- und Weiterbildung, wieder etwas besser?
Endlich scheinen wir die Talsohle durchschritten zu haben: Nach den sieben mageren Jahren ist die Zahl der Ausbildungsverträge im vergangenen Jahr erstmals wieder gewachsen. 2018 haben wir sogar mit über 2.700 neuen Azubis abgeschlossen – auch wenn diese Zahl noch bei Weitem nicht ausreicht. Unsere große Standort- und Ausbildungskampagne „Mach es in Brandenburg“ scheint mehr und mehr zu wirken, ebenso der direkte Zugang unserer Netzwerker zu Schule und Wirtschaft.
Superwahljahr – das heißt auch Europawahl.
Auch so ein Sorgenkind. Zu viele Menschen glauben heutzutage, dass die Errungenschaften des grenzüberschreitenden freien Warenverkehrs, des fast uneingeschränkten Handels, des unkomplizierten Reisens selbstverständlich sind. Roaming oder Geldtauschen sind Geschichte. Unsere Kinder denken international, gehen auf Reisen und sehen sich im Herzen von Europa. Auch Brandenburg hat nach der Wende wirtschaftlich massiv von den Förderleistungen und Infrastrukturprojekten aus Brüssel profitiert, sonst ginge es uns allen heute nicht so gut. Das muss man einfach eingestehen und sich klar zum Projekt Europa bekennen. Deshalb sagen wir als regionale Wirtschaft: Ganz wichtig wird die Europawahl Ende Mai sein. Unsere Vollversammlung hat auch deshalb in ihrer jüngsten Sitzung die europapolitischen Positionen diskutiert und beschlossen. Mein persönlicher Wunsch: Gehen Sie im Jahr 2019 wählen – für ihre Kommunalparlamente, für Europa und am 1. September für Brandenburg.