Mandy Reppner sitzt auf Schlag und bestimmt damit den Rhythmus. Die Potsdamerin gehörte zusammen mit der einstigen Weltmeisterin und Olympia-Zweiten Stephanie Schiller zu den Gründungsmitgliedern des Ruder-Achters mit dem poetischen Namen HavelQueen – ein ungewöhnliches und ungewöhnlich erfolgreiches Projekt, das sich auch in dieser Saison ehrgeizige Ziele stellt: Die Mission Titelverteidigung läuft.
So mancher Leistungssportler vermisst bereits kurz nach dem Ende der aktiven Laufbahn den Sport, der so viele Jahre das persönliche Wertegerüst und den Tagesrhythmus bestimmte. Im Jahr 2013 entstand so die erste Crew der HavelQueen: ehemalige Leistungssportlerinnen und aktive Ruderinnen, die Leistungswillen mitbrachten, vereint durch die Liebe zum Rudern und den Spaß am Sport. Von Beginn an sitzen Sportlerinnen von den Ruderclubs in Potsdam und Tegel im Boot – zwei Vereine in zwei Bundesländern, verbunden durch die Havel. Da war der Name schnell gefunden. Das Boot nahm rasant Fahrt auf und startete schon ein Jahr später in der Bundesliga. Auch 2019 wurde die Mannschaft neu aufgestellt. „Das hat sehr verschiedene Ursachen: Veränderungen des Wohn- oder Studienortes, Familiengründung – man muss ja auch an den Nachwuchs denken – oder andere persönliche Gründe“, erklärt Mandy Reppner, die zugleich die Öffentlichkeitsarbeit des Achters betreut. Zwischen 12 und 15 Sportlerinnen gehören zur aktiven Mannschaft, Nachwuchssorgen gibt es nicht. „Das macht uns als erfahrene Sportlerinnen natürlich glücklich, denn Rudern gehört ja nicht zu den Sportarten, die im Aufmerksamkeits- Rampenlicht stehen“, so die Potsdamerin, die dreimal Junioren- Weltmeisterin im Doppelvierer wurde und später in den Achter wechselte. Viermal wöchentlich trainieren die Havelköniginnen, dazu kommen die Wettkämpfe an den Wochenenden. „So gemütlich über den See gurken ist nicht“, bekennt Mandy Reppner mit einem Lächeln. Trainingsfleiß, Teamgeist und Motivation trugen 2018 – nach dem Vize-Meistertitel 2017 – ganz besondere Früchte: Die Potsdam-Berlin- Kombination wurde Champion und holte mit der Havel- Queen den Bundesliga-Sieg nach Hause. Aber eigentlich war es die HavelQueen 2, denn pünktlich zum Saisonstart 2018 wurde das neue Boot in die Havel gesetzt. Das Schmuckstück ist rund 17 Meter lang, nur etwas mehr als einen halben Meter breit und punktet mit höchster technischer Ausstattung."
Die Mission Titelverteidigung unter Trainer Dr. Thomas Schiefke begann bei den Ruderinnen mit dem harten Wintertraining. Gerechnet wird dabei nicht nur bei den Trainingseinheiten, sondern auch bei den Kosten für die kommende Saison. „Da kommt schnell viel zusammen“, rechnet Mandy Reppner vor: „Kosten für das Boot pro Jahr 5.000 Euro; Reisekosten, Unterkunft, Verpflegung rund 4.000 Euro, Lizenzgebühren 2.500 Euro; Versicherung für das Boot 400 Euro, dazu noch mal so rund 1.500 Euro für die Lagerung des Bootes und die Kosten, die man nicht planen kann.“ Ruder-Damen hatten eine gute und funktionierende Idee, Crowdfunding, und freuten sich über die Zusage der Stadtwerke Potsdam, die nicht nur ihre Homepage für die Aktion zur Verfügung stellen, sondern auch pro gespendeten 10 Euro gleichfalls 10 Euro sponsern. Gestartet im Januar, war bereits Ende März die 5.000 Euro-Marke überschritten. „Ohne die vielen Unterstützer wäre unser Sport nicht möglich“, berichtet die Achter-Schlagfrau. „Und wir bedanken uns dafür bei allen.“ Dabei agiert die gesamte Mannschaft höchst kostenorientiert. Gefahren wird mit Kleinbus und Bootsanhänger, übernachtet in Hostels, und wer bei der Regatta nicht im Boot sitzt, kocht für die ganze Mannschaft auf dem mitgebrachten Campingkocher (praktischerweise gibt es meistens Nudeln mit Pesto). „Das stärkt den Teamgeist“, weiß Mandy Reppner. Friede, Freude, Harmonie nonstop? „Nein, natürlich nicht, schließlich sind wir alle starke Persönlichkeiten, ehrgeizig und wollen gewinnen. Aber wir haben ein Prinzip, das gut funktioniert: Ärger im Boot bleibt im Boot. Zugleich sind wir eine starke Gemeinschaft. Hilfe in den verschiedensten Lebenslagen ist so selbstverständlich wie Atmen.“ Freundschaften sind so entstanden. Die Jüngste (und als Steuerfrau auch die Leichteste) im Boot ist die 16-jährige Lisa Hellmers, die schon mit 14 zur Mannschaft kam, die Erfahrenste Gudrun Lennert mit 36 Jahren. „Auch wir Älteren lernen von den Jüngeren. Und dass da eine Generation dazwischen liegt, merken wir spätestens bei der Musikauswahl bei langen Fahrten zu den Wettkämpfen“, berichtet Mandy Reppner, die Sozialpädagogin ist und daran arbeitet, Jugendliche mit Handikap auf dem ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Ehrenamtlich leitet sie – etwas artfremd – eine Kanusportgruppe für Kinder, gibt Schwimmunterricht für Kinder und Outdoor-Kurse für Erwachsene. Kurzes Rechnen … und dann noch viermal Training wöchentlich? „Es gibt keinen Tag ohne Sport für mich und das effektive Zeitmanagement habe ich im Leistungssport ganz nebenbei gelernt“, erklärt die 31-Jährige. „Da bin ich aber nicht die einzige in der Mannschaft.“
Und die sportlichen Ziele für 2019? „Natürlich möchten wir unseren Titel verteidigen und endlich auch mal einen Renntag gewinnen. Wir sind das einzige Team, das Meister wurde, ohne einen Einzelrenntag gewonnen zu haben.“ Das spricht für die Konstanz einer Mannschaft, die weiß, dass es neben dem Sport noch ein Leben gibt, aber das Leben ohne Sport nicht so erfüllend wäre.
von Brigitte Menge
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