Auf dem Weg in den Süden

Foto: NABU/Dorothea Bellmer

Wie in jedem Jahr treten zahlreiche Vogelarten im Herbst ihre Reise Richtung Afrika an. Viele von ihnen lassen sich hervorragend in Brandenburg beobachten. Doch ihr Weg birgt zunehmend Risiken.

Ein beeindruckendes Schauspiel ist es immer wieder, wenn Tausende Kraniche im Anflug auf Rastgebiete den Horizont verdunkeln oder ein Schwarm munterer Stare wie eine riesige Wolke durch die Lüfte schwingt. Seit jeher faszinieren diese Bilder die Menschen, verbunden mit dem Traum vom Fliegen, mit der Sehnsucht nach fernen Ländern. Wir sprachen mit dem NABU-Vogelexperten Eric Neuling über die alljährliche Reise der Vögel, über deren Routen, über Gefahren und unsere Verantwortung. "

Vogelzug, das bedeutet für viele Linum, Kraniche, Graugänse … Die Beobachtungsstände ziehen mittlerweile Tausende Besucher an. Natürlich begeben sich aber auch viele andere, kleinere Artgenossen auf den Weg. Wer legt die größten Entfernungen zurück, und gibt es inzwischen auch Arten, die hier bleiben?

Den weitesten Zugweg hat die Küstenseeschwalbe. Sie brütet an unserer Nordund Ostseeküste, aber auch bis über den Nordpolarkreis. Ihr Zugweg führt sie bis in die Antarktis, womit sie die halbe Welt zweimal im Jahr überfliegt. Von den verbreiteteren oder bekannteren Arten bei uns fliegen Rauchschwalbe oder Mauersegler sehr weit. Sie überwintern im südlichen Afrika. Es gibt einige sogenannte Kurzstreckenzieher, die vermehrt im Winter bei uns bleiben oder zumindest ihren Zugweg an den Atlantik oder den Mittelmeerraum verkürzen. Dazu gehören Star, Kranich, Rotmilan oder Hausrotschwanz. Sie profitieren von den immer milderen Wintern. Unter den Langstreckenziehern hat sich die Population des Weißstorchs, die auf dem westlichen Zugweg über Gibraltar zieht, verändert. Die meisten der Tiere bleiben inzwischen in Spanien, wo sie auf Mülldeponien und in Reisfeldern genügend Nahrung finden und sich den kräftezehrenden Zug über die Sahara sparen.

Eric Neuling, Referent für Vogelschutz beim NABU – Naturschutzbund Deutschland e. V. – Foto: NABU/Benjamin Maltry

Der ausbleibende Regen schränkt wahrscheinlich auch die Regionen ein, die zur Rast in Frage kommen. Wie sehen Sie da die Entwicklung?

Die Trockenheit, wie sie jetzt zutage tritt, ist ein großes Problem für Zugvögel. Sie sind während des Zuges angewiesen auf Trinkstellen und Feuchtgebiete, wo sie ausreichend Insekten und andere Nahrung finden, mit der sie ihren Energiebedarf decken können. Höhere Temperaturen durch die Klimakrise und mehr Dürren führen direkt dazu, dass solche Gebiete wie der Tschadsee oder Wüstenoasen austrocknen, bald auch Areale in Südeuropa, wenn die Erderwärmung nicht gestoppt wird. Mindestens genauso kritisch ist der indirekte Verlust durch die Übernutzung dieser Lebensräume durch den Menschen. Die Bevölkerung in den Überwinterungsgebieten nutzt ja auch verstärkt die Gebiete, die ausreichend Wasservorräte behalten, um dort Landwirtschaft zu betreiben und Holz zu schlagen. Es kommt also zu einer zunehmenden Konkurrenz zwischen Wildtieren allgemein und dem Menschen – und auch seinen Nutztieren! Beispiele von auf diese Weise gefährdeten Vogelarten sind der seltene Seggenrohrsänger, aber auch Turteltaube, Gartenrotschwanz oder Wiedehopf. Besonders die Sahelzone und dort lebende Arten sind gefährdet.

Ende letzten Jahres schreckte ein Bericht über den Schreiadler „Dieter“ auf. Sein angestammtes Brutgebiet war die Ostseeküste bei Greifswald in Mecklenburg- Vorpommern. Hier hatte er mit seiner Partnerin drei Jahre lang jedes Jahr einen Jungvogel groß gezogen. Auf seinem Weg Richtung Süden wurde er, wie jährlich schätzungsweise mehrere tausend Schreiadler und viele weitere Greifvögel, beim Überfliegen des Libanon getötet. Wie groß ist die Gefahr für die Zugvögel, nach langem Flug, fast am Ziel, noch „erwischt“ zu werden? Welche Arten sind besonders gefährdet?

Das östliche Mittelmeer ist ein sehr enger Zugkorridor für sehr viele Arten, und gerade im Libanon, in Jordanien und Ägypten wird sehr viel geschossen und mit Netzen gefangen. Aber auch in EU-Staaten wie Zypern, Italien und Malta gehört die Zugvogeljagd zum Volkssport, und leider setzt sich die EU gegenüber den Mitgliedsstaaten noch zu wenig durch. Neben Schreiadlern sind es vor allem tagziehende Vogelarten, die gefährdet sind: Jene, die die Thermik für einen energiesparenden Segelflug nutzen. Dazu gehören Adler, Milane, Bussarde, Störche, Pelikane, Reiher. Aber auch kleinere, oft nachts ziehende Vögel werden getötet, wenn sie Pausen einlegen. Hunderttausende kommen hier von Wachtel, Turteltaube, Pirol oder Neuntöter zusammen.

Beringungs-Projekte deutschland- und europaweit sind nützlich, um den Zug zu verfolgen, und auch, um eben jene Verluste zu registrieren. Welche Projekte gibt es in Brandenburg, die für die Mitverfolgung der Tour angelegt sind?

Außer den Schreiadlern haben wir in diesem und letzten Jahren u. a. in der Lieberoser Heide Turteltauben mit Sendern versehen. Deren Zug nach Afrika kann man auf unserem Zugvogelblog online verfolgen. Vor kurzem haben sie ihre Brutgebiete verlassen.

Der NABU, der Naturschutzbund Deutschland e. V., bietet zahlreiche geführte Beobachtungstouren an. Wenn wir uns aber demnächst allein in die Natur begeben möchten: Welche Tipps können Sie uns geben?

Am besten beobachtet man von einem erhöhten oder exponierten Standort. Da Zugvögel ihre Flughöhe nicht verändern, nur weil ein Hügel vor ihnen liegt, ist man dort einfach näher an den Vögeln dran. Dadurch bekommt man sie überhaupt erst mit und erkennt sie auch besser. Während der gegenwärtigen Hauptzugzeit ist bei guter Sicht eigentlich jede Tageszeit erfolgversprechend. Besonders Kraniche, Finken, Schwalben, Lerchen oder Saatkrähen fliegen tagsüber, andere Arten wie Stare, Drosseln oder Watvögel bekommt man jedoch kaum zu sehen, da sie überwiegend nachts ziehen. Hier hat man an den Rastplätzen der Vögel bessere Beobachtungschancen, weil sie sich hier oft für mehrere Tage oder Wochen ausruhen. Zugvögel zu erkennen ist aber schwerer als die Kohlmeise am Nistkasten, deswegen bietet der NABU Exkursionen an, zum Beispiel am EuroBirdwatch- Wochenende 5. und 6. Oktober.

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