Alle Wege führen zum Schloss: Der spätbarocke Bau verheißt großzügige Innenräume und dezente Pracht. Wie ungewöhnlich die Zimmer gestaltet sind, das erahnt der Besucher vorab nicht. Auch der Park steckt voller Überraschungen.
Nachdem das holzgetäfelte Treppenhaus durchschritten ist, ziehen die umfangreiche Bibliothek, drei Orienträume, der Musiksaal im Zopfmusterstil und ein Speisezimmer samt opulent gedeckter Tafel sofort in ihren Bann. Dass der Schlossherr, Fürst Hermann von Pückler-Muskau (1785–1871), ein ungewöhnlicher Zeitgenosse gewesen sein muss, wird spätestens hier klar: Die Räume, die der Besucher übrigens ohne Einschränkung begehen kann, bestechen in ihrer Einzigartigkeit, Farbenpracht und mit einer Mischung aus Verspieltheit und klarer Anordnung des Interieurs."
Die größtenteils original erhaltene Bibliothek wartet gleich bei Eintritt mit einer Kostbarkeit auf: In einer roten Schatulle zusammengefasst die vier Bände der „Briefe eines Verstorbenen“, Pücklers fragmentarisches Reisetagebuch. Queen Elisabeth II. schenkte die Erstausgabe aus dem 19. Jahrhundert Bundespräsident Joachim Gauck bei ihrem Deutschlandbesuch im Jahr 2015. Diese ist nun hier als Dauerleihgabe zu besichtigen. Des Fürsten Vorliebe für den Orient, seine Beschäftigung mit den Wissenschaften und seine Freude am Genuss spiegelt sich dann in allen Räumen wider, und so gleicht der Besuch auch einem kurzweiligen Lustwandeln. Aus den Fenstern schweift der Blick in den zauberhaften Park, sommers wie winters von ausdrücklicher Schönheit. Das Maß ist für das Auge schmeichelhaft – Bäume, Wiesen, Wege und künstliche Seen erwecken den Eindruck ursprünglichster Natürlichkeit. Doch weit gefehlt: Hinter allem steckt ein gründlich erdachter Plan. Pückler, auch Gartenfürst genannt, entwickelte ihn in den 1840er-Jahren. Sein Alterswerk gewissermaßen, erreichte der Weltreisende diesen Ort doch erst, als er bereits 60 Jahre alt war. Ein sorgfältig ausgeklügeltes Wasser- und Wegesystem, besondere Baumarten, Blickachsen und Aussichtspunkte bis hin zu zwei Pyramiden machen den Park zu einem beeindruckenden Zeugnis von Landschaftskunst.
„Pücklers Werk zeigt, wie sehr er das große Ganze im Blick hatte“, beschreibt der Direktor der Stiftung Fürst-Pückler- Museum Park und Schloss Branitz, Gert Streidt, die historische Anlage. Visionär und zukunftsgewandt ist auch das Agieren der Stiftung: Seit Mai 2019 ist sie Mitglied im Europäischen Gartennetzwerk, dem 190 Gärten aus 14 Ländern Europas angehören. Ziel dieses Verbundes ist der internationale Erfahrungsaustausch sowie eine international ausgerichtete Präsentation der Parks und Gärten. In einem kleineren Maßstab lässt sich dies innerhalb der Spree-Neiße-Region organisieren: Der Europäische Parkverbund Lausitz schließt inzwischen neun großartige Gartenanlagen zusammen. Neben den Pücklerschen Parks in Muskau und Branitz beispielsweise auch die jüngst hinzugekommenen in Kromlau und Brody. „Dadurch wird Branitz noch bekannter“, betont Streidt die Vorteile der Mitgliedschaft. „Es gibt sogar eine extra Fahrradtour von Park zu Park.“
Seit 11 Jahren steht der Kultur- und Kunstwissenschaftler der Stiftung als Direktor vor. Im Dezember 2019 geht er in den Ruhestand. Zu den Meilensteinen während seines Wirkens gehören die Pyramiden- Restauration und -enthüllung 2015 und die Ausstellung „Parkomanie“ in der Kunsthalle Bonn 2016, während derer sogar das dortige Museumsdach begrünt wurde. Zahlreiche Sonderausstellungen luden und laden ein. Im Jahre 2017 war die vielbeachtete Schau „Augusta von Preußen – die Königin zu Gast in Branitz“ zu sehen. Unbedingt weiterhin im Kalender vorzumerken sind das alljährlich im Mai stattfindende Gartenfestival und die inzwischen traditionelle Spielplan-Präsentation des Staatstheaters Cottbus Ende August. Zudem gibt es Gondel- und Kutschfahrten, extra Familienund Schüler-Programme, und rechtzeitig zum Frühjahr wird im April 2020 das komplett restaurierte Kavalierhaus mit Restaurant- und Pensionsbetrieb wieder eröffnen.
Im Jahr 2018 erfolgte die Überführung der Stiftung in eine Landesstiftung. „Durch den erhöhten Zuschuss des Landes Brandenburg steht das Pücklersche Parkensemble nun auch zukünftig auf einem soliden zukunftssicheren Fundament“, begrüßt Gert Streidt ausdrücklich die Entscheidung des Landes. „Wir konnten beispielsweise 12 neue Mitarbeiter einstellen. Gerade, weil sich wie überall auch die Folgen der beiden letzten Sommer im Park niederschlagen, ist es sehr begrüßenswert, weitere Fachleute wie beispielsweise Wegepfleger und Baumspezialisten vor Ort zu haben.“
Es sei schon etwas Besonderes, praktisch auch ein Erbe zu verwalten, beschreibt der Direktor einen Aspekt seines Wirkens. Als profunder Kenner Pücklers und seiner Zeit – die unlängst erschienene Biografie des Fürsten weist ihn ebenfalls eindrücklich als solchen aus – ist und bleibt er Branitz eng verbunden. „Ich freue mich sehr, dass auch die Erben des Fürsten, die Familie von Pückler, mit Branitz eng verbunden sind“, so Streidt. „Nicht hoch genug ist zu schätzen, dass die Nachfahren, insbesondere Elke Gräfin von Pückler, Witwe des Urgroßneffen des Fürsten, an der Erhaltung, Erforschung und Präsentation des Nachlasses so starkes Interesse haben. Zur Gräfin besteht reger Kontakt.“ – Ein Besuch an diesem zauberhaften Ort – das ist auch im Winter absolut lohnenswert, verspricht eine anschauliche Zeitreise und Entspannung pur.