Als Polizeioberkommissar Tom Kowalski in der ZDF-Serie „SOKO Leipzig“ kennen ihn Millionen. Im Sommer 2017 legte er mit „Was alles in einem Menschen sein kann: Begegnung mit einem Mörder“ sein erstes Buch vor. Ende Januar erschien sein erster Roman „Mein Sommer mit Anja“. Wir trafen den Schauspieler und Schriftsteller in seiner Heimatstadt Potsdam, wo er seit 2006 mit seiner Frau, der Schauspielerin Ute Springer, und seinen drei Söhnen lebt.
Das Buch erzählt von den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens. Was hat Sie zu diesem Buch ermuntert?
Ermutigt hat mich mein Verleger Gunnar Schmidt, der mich nach dem ersten Buch fragte, ob ich nicht Lust hätte, einen Roman zu schreiben. Das empfand ich als tolles Kompliment und zugleich als Ansporn, einen Stoff zu suchen. Ziemlich schnell landete ich dann in den 1980er-Jahren. Ich wuchs in unmittelbarer Nähe des Freibads Floriansmühle in München auf, das ein sehr besonderer Ort war. Und so spielt dort die Geschichte. Als ich anfing zu schreiben, hatte ich das Romanende im Kopf, aber der Weg dahin war eine Reise.
Ihre Figuren entwickeln sich beim Schreiben?
Ja, zumindest teilweise. So spielte anfangs z. B. Holger, der geistig leicht behinderte Freund des Helden, eher eine Nebenrolle. Das änderte sich ziemlich schnell, als ich merkte, wie schön man in dieser Figur unsere Gesellschaft spiegeln kann. So entwickelte er sich zu einem weiteren Protagonisten.
Romane, die an Orten spielen, die mit dem eigenen Leben zu tun haben, drängen die Frage auf, wie viel Biografisches im Buch steckt. Gab es diese wilde, unangepasste Anja?
Es ist eine fiktive Geschichte. Bei den Grundgegebenheiten fließen natürlich eigene Erlebnisse ein – ich bin selbst in diesem Haus neben dem Schwimmbad aufgewachsen. Aber die handelnden Personen sind Romanfiguren. Meine Eltern haben nichts mit Konrads Eltern gemein. Ob es Anja gegeben hat? Das behalte ich für mich …
Sie sind mit dem Buch zu Lesungen im Land unterwegs. Welche Reaktionen kommen Ihnen vom Publikum entgegen?
Für mich ist es sehr inspirierend, wieder live dem Publikum zu begegnen. Die Zuhörerinnen und Zuhörer lachen viel, und es ist ausgemacht spannend zu erleben, welche Stellen diese Heiterkeit auslösen. Ich kenne das vom Theater, dass die Reaktionen des Publikums einen häufig überraschen.
Wie geht es Micha aus Ihrem ersten Buch: „Was alles in einem Menschen sein kann – Begegnung mit einem Mörder“?
Er ist nach wie vor inhaftiert. Es gab eine schwierige Phase, in der auch eine Weile Funkstille herrschte. Gegenwärtig laufen die Dinge wieder deutlich besser, wir sind wieder in Kontakt. Kurz vor Weihnachten hatte er nach längerer Zeit eine Ausführung – so die offizielle Bezeichnung für das zeitlich begrenzte Verlassen der Gefängnismauern –, bei der ich ihn begleitete. Es ist ein sehr fragiler Prozess mit vielen Aufs und Abs.
Sie gehören zu den sehr gut beschäftigten Schauspielern des Landes. Wann finden Sie Zeit zum Schreiben?
„Mein Sommer mit Anja“ ist schließlich keine Kurzgeschichte. Ich habe rund zweieinhalb Jahre an diesem Roman geschrieben. Filmrollen, Familie und Schreiben unter einen Hut zu bringen, ist im Alltag oftmals eine logistische Herausforderung. Obwohl das Schreiben für mich sehr entspannend ist, brauche ich einen freien Kopf dafür. Trotzdem kam es schon vor, dass ich mir einen Freiraum zum Schreiben geschaffen habe, dann aber nicht in die Geschichte einsteigen konnte. Und umgekehrt genauso: Wenn ich viel um die Ohren habe, kommt auf einmal eine Idee, die sofort ins Manuskript muss. Schreiben ist nicht planbar.
Wie gefragt ist der Schauspieler Steffen Schroeder?
Ermittelt Tom Kowalski in der SOKO Leipzig weiter? Wir haben sehr schöne SOKO-Folgen gedreht, so mit meiner Filmtochter, dargestellt von Sinje Irslinger, und aktuell auch wieder mit Andreas Schmidt-Schaller. Gelaufen ist kürzlich der Film „Krauses Umzug“, der im letzten Sommer in Gröben bei Potsdam, Ihlow (Oberbarnim) und Budapest entstand. Und ich habe in einer Folge von Tonio & Julia mitgespielt und mich gefreut, mal wieder in Bayern zu drehen.
Wer zwei Bücher geschrieben hat, denkt an ein drittes?
Ja. Ich recherchiere gegenwärtig verschiedene interessante Themen. Das Schreiben bereitet mir Freude und gibt mir eine Freiheit, die Geschichten so zu erzählen, wie ich es möchte. Beim Drehen reden sehr viele Menschen mit und Geld spielt auch immer eine Rolle. Wenn ich schreibe, gibt es nur die Geschichte und mich. Ohne Einschränkungen.
Sie leben mit Ihrer Familie in Potsdam. Was macht für Sie den Reiz der Stadt aus?
Wir leben nicht weit vom Park Sanssouci. Wenn ich zu Hause bin, gehe ich fast jeden Tag hier spazieren, weil ich gern draußen bin. Ich gehe gern zu jeder Jahreszeit schwimmen und habe schon an Neujahr angebadet. Es ist also kein Wunder, dass einer der Hauptschauplätze von „Mein Sommer mit Anja“ ein Freibad ist. Wir haben auch ein Bauernhaus von 1850 im Havelland bei Rathenow, wo ich gern in der Havel schwimme. Leider habe ich zunehmend immer weniger Zeit, die Landschaft und die Stille dieser Gegend zu genießen.
Steffen Schroeder
Geboren in München, hatte Steffen Schroeder seinen ersten Fernsehauftritt 1994 im Polizeiruf 110 „Samstags, wenn Krieg ist“. Ein Jahr später begann er sein Studium an der Folkwang Hochschule in Essen. Parallel dazu spielte er erste Hauptrollen im Fernsehen und im Kinofilm, hier unter Regie von Joseph Vilsmaier. Theaterdebüt am Schauspielhaus Wien, danach festes Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater. 1999 folgte er Intendant Claus Peymann an das Berliner Ensemble, dessen festes Ensemblemitglied er bis 2001 war. Danach Arbeit als freischaffender Schauspieler in Film und Fernsehen. Steffen Schreoder engagiert sich seit über fünf Jahren für den Weißen Ring als Botschafter und wirbt dafür, die Rechte und den Schutz von Opfern in Deutschland zu stärken.
„Mein Sommer mit Anja“
Ein heißer Sommer in den Achtzigern. Für Konrad sind alle Sorgen noch fern, vor allem in den großen Ferien. Die verbringt er im Freibad Floriansmühle, immer mit seinem geistig leicht behinderten Freund Holger. Dann tritt Anja sein Leben, die anders ist als alle Mädchen, die Konrad kennt. Sie ist abgehauen und schläft draußen, in einem Versteck im Park. Eine geheime Freundschaft beginnt. Als sie ein Zeltlager von Stadtstreichern aufstören und gerade noch davonkommen, begreift Konrad erst, wie eigensinnig und gefährlich Anja wirklich lebt – da ist er längst in sie verliebt. Stückweise gibt Anja ihre Geschichte preis, doch niemand darf von ihr erfahren, Konrad muss immer mehr lügen und kümmert sich kaum mehr um Holger, bei dem indessen zarte Eifersucht erwacht. Steffen Schroeder erzählt von einem Jungen aus gutbürgerlichen Verhältnissen, einer Freundschaft zu dritt und einem Geheimnis – der Liebe zu einem wilden Mädchen, das mit allen Regeln bricht. Erschienen bei Rowohlt Berlin.