Den Buchstaben „E“ interpretiert die Autowelt recht unterschiedlich. Doch leidenschaftlich füllt das E nur einer aus – der Jaguar E-Type. Sein Leben war mit 14 Produktionsjahren eigentlich kurz, die Stückzahl mit etwas über 70.000 gering, dennoch ist er eine Legende, gerade auch für viele autobegeisterte Menschen, die ihn nie gefahren haben.
Da ist zum einen die Erscheinung: 1961 überraschte er mit einem so nie gesehenen endlosen Vorderwagen, bestehend aus einer sich komplett öffnenden Motorhaube wie bei einem Rennwagen. Dazu die Kraft von 265 PS, exquisite Technik wie Zweinockenwellenmotor, Monocoque- Chassis, Einzelradaufhängung und Scheibenbremsen. Seine Präsenz galt eben nicht nur den Boulevards, sondern auch den Rennpisten auf der ganzen Welt. Er maß sich sogar mit dem Ferrari 250 GTO als „E-TYPE Lightweight“ mit einer Alu-Karosserie. Dazu kommt die „Autosozialisation“ der „Generation Auto“ der Babyboomer. In deren Leben trat er durch die Autoquartetts, Modelle in allen möglichen Maßstäben etwa bei Fallers „Heiße-Räder“ – oder Carrera-Bahnen“ und auf Modell- Eisenbahn-Anlagen. Zudem spielt er eine Rolle in vielen Filmen wie u.a. „Wie klaut man eine Million?“ aus dem Jahr 1966, in dem Peter O‘Toole einen gelben E-Type fährt. Jerry Cotton fuhr auch einen E-Type. Sehr schräg wird es, als Harold (Bud Cort) in „Harold und Maude“ 1971 den ihm von der Mutter geschenkten offenen E zum Leichenwagen umbaut.
Was auch Legenden ausmacht: Der E-Type hatte einen veritablen „Gegner“, ebenbürtig genial, auch aus dem Vorgänger (hier dem 356 konsequent) weiterentwickelt, gut für einen lebenslangen „Wettbewerb“. Der Porsche 911 war „das“ Gegenstück mit Sechszylinder—Boxer-Motor im Heck und ebenfalls auf die Straße gepresster Silhouette. Bei Lichte betrachtet war der 911 eine halbe Nummer kleiner, hatte zum Start mit 130 PS lediglich halb so viel Leistung wie der Jaguar, und dennoch schien das Duell auf Augenhöhe. Vielleicht auch weil der Jaguar trotz aller Ausstrahlung und Leistung nie ein elitäres Auto war im Gegensatz zum zeitgenössischen Aston Martin DB 4, der eher zum gehobenen Anspruch James Bonds passte, der den E-Type stets verschmähte. Der E-Type kostet 1963 „nur“ 26.000 DM, das DB 4-Coupé 46.000 DM.
Es ist sicher auch das puristische und kompromisslose am Jaguar E-Type, das fasziniert. Er wurde nicht, von Marketing-Experten, entwickelt, um Zielgruppen zu erreichen, sondern umgekehrt konzipierte Firmengründer Lyons aus dem reinen Rennwagen D-Type einen „Ableger“ für die Straße. Der Fahrer „schlüpft in den Sportler wie in ein Wildwasserkanu, nachdem der breite und vor allem hohe Seitenschweller überwunden wurde. Erschwert wird das Prozedere durch im Vergleich zum Vorgänger XK 150 extrem kleinen Türausschnitte“, schrieb die Motor Klassik (Oktober 2014). Der Fahrer also hatte sich an das Auto anzupassen, nicht umgekehrt. Ganz hart blieb Jaguar nicht und machte nach einer kurzen Zeit Konzessionen an Komfortbedürfnisse. So wurde mit einer neuen Bodenwanne etwas mehr Fußraum geschaffen. Und der „2+2“ genannte „E“ umfasste deutlich mehr Platz; er sollte als Viersitzer mit geschlossenem Dach und längerem Radstand Kleinfamilien ansprechen. Ein weiterer Eingriff resultierte aus den Sicherheitsvorgaben der USA, die die puristische Schnauze mit abgedeckten Lampen und kleiner Kühler-Öffnung, „verwässerten“. Vor allem auch aufgrund der dortigen Abgasvorschriften wurde ab 1971 dann fast ausschließlich der neuentwickelte 293 PS starke 5,3 Liter großer Zwölfzylinder-Motor verbaut, der das Auto aber nicht wirklich schneller machte.
Das viel zu frühe Ableben 1974 war für den „E“ ebenso stilvoll wie die Lebenszeit. Tiefschwarz, vielleicht aus Trauer über den Nachfolger, verließen die letzten 50 „Es“ die Produktionshallen. Der XJS genannte „Erbe“ war aufgeschwemmt wie ein Plum Pudding und hielt sich bedeckt – eine offene Variante gab es lange Zeit nicht mehr. Von der Direktheit des E-Type war nichts mehr geblieben. Und der ewige Widersacher 911 blühte im „Todesjahr“ des E-Type richtig auf: 1974 erschien der erste Turbo 3.0 mit 260 PS, so viel wie der Jaguar in seiner ersten Version mobilisierte. Die luftgekühlte Version des 911 überlebte bis 1996 den Jaguar um 22 Jahre und mehrere 100.000 Exemplare. Ein Grund für das Ende des E liegt offenkundig in seinem Charakter als Roadster – der die geschlossene Variante dominant ergänzte. Mitte der 70er Jahre wurde vor allem aufgrund von Sicherheitsbestimmungen so gut wie kein offenes Auto mehr angeboten – so in Deutschland nur noch der Mercedes SL und das Käfer Cabrio. Doch der frühe Tod befördert oft die Legende, das Weiterleben stört nur. So wurde der E-Type zur festen Größe nicht nur als Modellauto, in Filmen und in der Oldtimer-Welt, sondern vor allem auch in seiner Ausstrahlung auf seine Nach-Nachfolger. Der Jaguar XK, der 1996 den XJS ersetzte, zitierte in seinem Design den E-Type im Vorderwagen, der heutige F-Type kommt mit seinem straffen sportlichen Design und der geduckten Silhouette dem E nahe.
Was bleibt vom ewigen „E“ heute? Begeisterung über die Freiheit, die er ausdrückt, Freiheit, ein solches Auto frei von Zwängen zu konstruieren, aus dem Vollen zu schöpfen und zu erleben.
Unser Gastautor:
Peter Klotzki ist neben seinem Berufsleben seit seiner Jugend ein Liebhaber von „alten“ Autos, Experte auf diesem Gebiet, Sammler von klassischer Auto- Literatur und von etwas altem Blech sowie Mitbegründer und Vorstandsmitglied des historischen Automobilclubs Ritter von Kalebuz e.V. im ADAC Berlin-Brandenburg.