Wohl selten haben leere Räume so viele Besucher angelockt. Vom 28. November bis zum 4. Dezember 2016 öffnete das Palais Barberini seine Türen für die Potsdamer und ihre Gäste. Erstmals konnte die großartige Architektur mit der Eingangshalle, dem Treppenhaus, den Raumfolgen und der technischen Ausstattung erlebt werden.
In den vergangenen Jahren wurde im Herzen Potsdams ein Stück Kulturgeschichte wiedererrichtet. Die Stadtmitte am Potsdamer Alten Markt hat ihr neues altes Gesicht zurückerhalten. Friedrich der Große ließ in Potsdam 1771/72 das Palais Barberini als bürgerliches Wohnhaus am Havelufer in direkter Nachbarschaft zum Stadtschloss erbauen. Als Vorbild für das Palais diente dem Architekten Carl von Gontard der barocke Palazzo Barberini in Rom. Das bei einem Luftangriff im April 1945 fast vollständig zerstörte Gebäude wurde 1948 schließlich abgerissen und seit 2013 nach historischem Vorbild durch den Mäzen Hasso Plattner neu errichtet. Die Hasso Plattner Stiftung ist auch Träger des neuen Museums. Das im Januar 2017 eröffnende Museum Barberini zeigt unter der Leitung der Direktorin Dr. Ortrud Westheider Ausstellungen in internationalen Kooperationen, die einzelne Themen, Künstler oder Epochen vorstellen. Ausgangspunkt für die Präsentationen von Alten Meistern bis ins 21. Jahrhundert ist die Sammlung Hasso Plattners, in der ein Schwerpunkt auf dem Impressionismus liegt. Weitere Sammlungsbereiche sind die Amerikanische Moderne, Kunst der DDR-Zeit und Malerei nach 1989."
„Das wiederaufgebaute Palais Barberini ist ein idealer Ort, um Malerei zu zeigen, und es ist eine glückliche Fügung, dass es das Angebot gab, das Palais Barberini als Museum wiederaufbauen zu lassen“, sagte der SAP-Mitbegründer und Software-Entrepreneur Prof. Dr. mult. Hasso Plattner, nachdem feststand, dass aus dem Palais ein Museumsgebäude wird. In 17 Sälen werden künftig unter der Leitung von Ortrud Westheider die Ausstellungen des Museums Barberini zu sehen sein. Der Bau bietet darüber hinaus Platz für einen Shop, einen Gastronomiebereich sowie ein Auditorium für Lesungen, Konzerte und Vorträge. „Wir haben noch nie so ein schönes Projekt gehabt“, lobte Architekt Thomas Albrecht aus dem Büro Hilmer Sattler Architekten Ahlers Albrecht bei der Eröffnungspressekonferenz. „Alle Menschen, die hier gearbeitet haben, waren mit dem Projekt verheiratet“, bekennt der Architekt. In kurzer Bauzeit entstand in drei Jahren das Gebäude als Museumsbau, der höchsten Ansprüchen des internationalen Leihverkehrs genügt. „Für das Museum Barberini hat Thomas Albrecht eine klassische Museumsarchitektur erdacht, die Malerei ideal zur Wirkung bringt“, so Dr. Ortrud Westheider. Die Hauptfassaden wurden nach historischen Fotografien aus Elbsandstein und in klassischem Wandputz rekonstruiert. Die Eingangshalle erhielt ihre alte Gestalt mit Säulen und Gewölbe unter Verwendung traditioneller Handwerkstechniken. Hochwertige Oberflächen wie Terrazzo, Stuccolustro und Eichenparkett geben dem Bau seine gestalterische Fassung. Für den Wiederaufbau konnte man auf gut dokumentierte Unterlagen des zerstörten Palais Barberini zurückgreifen: Messbildaufnahmen aus den 1920er-Jahren sowie ein Gebäudequerschnitt. Daher konnte das Gebäude äußerlich exakt rekonstruiert werden. Mit der Realisierung waren hochspezialisierte Handwerker beauftragt, die sonst mit der Restaurierung von Kirchen oder Kathedralen beschäftigt sind.
Schöne Idee: Das Museum ermöglicht den Durchgang vom Wasser zum Alten Markt, vorbei an Wolfgang Mattheuers „Jahrhundertschritt“, das übrigens als erstes Werk aus der Sammlung Hasso Plattners ins Museum Barberini einzog.
Das neue Haus am Alten Markt öffnet seine Türen für das Publikum am 23. Januar 2017 gleich mit zwei Ausstellungen, die kulturinteressierte Besucher aus ganz Deutschland anziehen werden. „Impressionismus. Die Kunst der Landschaft“. Mit Gemälden von Künstlern wie Claude Monet (1840–1926), Auguste Renoir (1841–1919) und Gustave Caillebotte (1848–1894) widmet sich die Ausstellung den malerischen Erfindungen des Impressionismus und dem Naturverständnis der Moderne. Zeitgleich laden die „Klassiker der Moderne. Liebermann, Munch, Nolde, Kandinsky“ ein. Die Schau schlägt den Bogen vom deutschen Impressionismus über den Fauvismus zur Abstraktion nach 1945. Mit 60 Werken erzählt sie Kunstgeschichten, die deutlich machen, dass es mehr als eine Geschichte der modernen Kunst gibt. „Nichts ist aufregender als die Begegnung mit dem Original. Wir zeigen es Ihnen“, weckt Museumschefin Ortrud Westheider Vorfreude.
Wichtiges Kunst- und Kulturquartier
Glücklich über die neue Nachbarschaft ist Dr. Jutta Götzmann, Direktorin des Potsdam Museums – Forum für Kunst und Geschichte. „Hier entsteht ein weit über Potsdam hinausreichendes Kunstund Kulturquartier“, erklärt die Kunsthistorikerin und verweist darauf, dass sich nach Fertigstellung des Barberini- Palais der Alte Markt in dem Platzgefüge präsentiert, das er einst unter Friedrich II. hatte. Konkurrenz in der Nachbarschaft? Jutta Götzmann verneint entschieden. „Erste Kontakte zu Ortrud Westheider, Direktorin des Museums Barberini, sind hergestellt und ich glaube, dass sich unsere Programmatik gut ergänzt.“ Die umfangreiche Privatsammlung des Museums-Stifters Hasso Plattner mit Kostbarkeiten des internationalen Kunstmarktes sowie der bemerkenswerten Sammlung der Werke von Künstlern aus der ehemaligen DDR und das Mehrspartenhaus? „Der Name Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte sagt es ja bereits: Wir betrachten Kunst stets in ihrer historischen und regionalen Verankerung. Das ist unser klar definierter Blickwinkel. Wir ankern in Brandenburg. Zudem besitzen wir mit rund 6.000 Werken gleichfalls eine sehr bemerkenswerte Sammlung von Kunst aus der DDR, deren Schwerpunkt auf den Jahren 1975 bis 1989 sowie auf Werken von Künstlern aus dem Potsdamer und Berliner Raum liegt. Beide Sammlungen hier am Alten Markt ergänzen sich großartig“, erklärt Jutta Götzmann.
Während die Besucher des Barberini-Museums bei Claude Monet, Auguste Renoir und Alfred Sisley ab Mitte Januar auf eine ergötzende Impressionismus-Reise gehen, setzt das Potsdam-Museum mit der Schau „Die wilden 80er-Jahre in der deutsch-deutschen Malerei“ einen temperamentvollen Kontrapunkt. „Die 1980er- Jahre waren ein besonderes Jahrzehnt in der deutsch-deutschen Geschichte, das der Zerfall der DDR und die Wiedervereinigung genauso prägten wie Hochrüstung, Friedensbewegung, Tschernobyl und AIDS. Wir bieten den Besuchern an, Gemälde und Grafiken aus beiden deutschen Staaten in einen inneren Dialog zu setzen. Als ich begann, mich intensiv mit dieser Kunstetappe und den Künstlern zu beschäftigen, staunte ich, dass die Schnittmengen in den künstlerischen Haltungen weitaus sichtbarer sind als ursprünglich gedacht. Beidseitig der Elbe stand in diesem Zeitraum die menschliche Figur im Mittelpunkt, dargestellt in expressiver, realistischer, abstrahierender oder neo-surrealer Malweise“, erklärt Frau Dr. Götzmann. Am Beginn der Schau steht eine jüngst erhaltene Dauerleihgabe von Werken Bernhard Heisigs – des Leipziger Altmeisters der figurativen Malerei. Zu sehen sind Werke von Neo Rauch, Rainer Fetting, Angela Hampel, Bernd Krenkel, Klaus Killisch, Stefan Velten, Elvira Bach, Hans Scheuerecker, Salomé, Georg Baselitz und vielen anderen. Insgesamt vereint die Ausstellung rund 120 Gemälde und Grafiken – verbunden, erklärt und in den historischen Kontext gestellt durch die ausstellungseigene „Folie des Jahrzehnts“. Die Chronologie der politischen Ereignisse erleichtert den inhaltlichen Zugang zu einzelnen Werken, ist Basis des Dialogs und aktiviert natürlich auch ganz persönliche Erinnerung an die wilden 80er. Kunst verankert in Zeit und Region.