Wenn Vogelmiere, Brennnessel, Schafgarbe und Spitzwegerich mutig ihre grünen Spitzen der Frühlingssonne entgegenstrecken, zieht es Peter Franke mit aller Kraft auf die Wiesen und in die Wälder des Spreewalds. Mit einer großen Portion Wissen, nimmermüder Leidenschaft und ansteckender Begeisterung sammelt und verarbeitet er die wilden Gewächse für Küche und Hausapotheke.
In dieser Jahreszeit ist der Spreewald besonders farbenfroh. Das Weiß der Buschwindröschen wetteifert mit dem der Gänseblümchen, bald schon tragen die Wiesen das heitere Gelb des Löwenzahns. Wie ein Schatzsucher begibt sich der gelernte Koch, der längst ein Botschafter des Spreewalds ist, mit den Besuchern seiner Kräutermanufaktur in Burg auf die Suche nach allem Essbaren, das die Natur offeriert."
In seiner Genusswerkstatt entsteht daraus dann so Verblüffendes wie Unkrautbowle, Kräuterlimonaden, Teemischungen, im Sommer ganze Blütenbuffets, oder die natürlichen Zutaten wandern in Suppentopf, Salatschüssel und Pfanne. Schon folgt der Satz, den wohl jeder Gast von Spreewaldkoch Peter Franke zu hören bekommt: „Der wichtigste Rat ist der Vorrat!“ Und so werden im Doppelstubenhaus Kräuter getrocknet, es entstehen Marmeladen, Teemischungen, Essige und Öle. Das passt gut in das traditionelle Gebäude aus dem Jahre 1804, dessen original erhaltene Architektur viel vom Leben im Spreewald vor über 200 Jahren berichtet. Von Gewohnheiten, Vorratshaltung, heiligen Linden, der Wichtigkeit einer Ofenbank, Auszüglern, auch Ausgedinge genannt, und vielem mehr erzählt Peter Franke, während die Besucher schnippeln, reiben, zupfen, rühren und später gemeinsam essen. Das Spreewälder Original mit Strohhut und grüner Schürze ist ein anschaulich berichtendes Geschichtsbuch und verdankt sein Wissen vor allem den betagten Spreewäldlern. Wenn sie aus ihren Jugendtagen berichten, als der Kahn das einzige Verkehrsmittel war, über Sagen, Sitten und Brauchtum erzählen, hört der temperamentvolle Mann dankbar und voller Respekt zu. „Es geht so viel verloren“, sinniert er. „Dabei sind das doch unsere Wurzeln.“
Die Spreewaldgeschichte faszinierte den geborenen Thüringer seit seinen ersten Besuchen im Land der Wenden, denn damals traf er in einem Nahverkehrs-Bus seine heutige Frau Antje Schlodder-Franke, deren Familienhotel „Zum Stern“ im kleinen Örtchen Werben unweit der Spreewaldmetropole Burg auf eine Jahrhunderte alte Tradition verweisen kann. Die Schlodders, die einst tapfer dem 30-jährigen Krieg trotzten, waren ihrem Dorf und der Region rund um Cottbus stets eng verbunden. Heute entstehen in der „Stern“-Küche aus den Produkten der Region die Spezialitäten des Spreewalds von Kräuterquark mit Leinöl über Hefeplinsen bis zur legendären Riesenkohlroulade nach dem Rezept der Ur-Ur-Großmutter von Antje Schlodder- Franke. Die Popularität ihres Ehemanns lockte Prominenz wie Johann Lafer in die Küche des Hauses und Künstler, Politiker, Wirtschaftsbosse an die Tische. Sie alle erleben den Luxus des Einfachen und – wer es sucht – die tiefe Stille des Spreewalds.
„Wir haben sie noch“, weiß Peter Franke, der seine Spreewald-Rezepte in einem Kochbuch veröffentlicht hat. In seine Kräutermanufaktur kommen neben den Touristen häufig Teams und Schulklassen. „Ich freue mich, wenn gerade Kinder und Jugendliche Wildpflanzen kennenlernen, sie unterscheiden, riechen, fühlen und verarbeiten. Ich zeige ihnen gern alte, fast vergessene Gemüsesorten und wie das Spreewaldgemüse wächst“, berichtet Peter Franke, der oft beobachtet, wie heilsam das gemeinsame Zubereiten von Mahlzeiten ist. „Da reden und lachen Menschen auf einmal zusammen, die sich jahrelang nur E-Mails schrieben“, erzählt er lächelnd. Wohl gerade um das zu fördern, befindet sich im Dachgeschoss des Doppelstubenhauses ein Seminarraum. Gern zitiert Peter den Hippokrates- Satz: „Eure Nahrung soll Heilmittel und eure Heilmittel sollen Nahrung sein“. Der Koch als Arzt? Peter Franke lächelt versonnen und erklärt: „Wenn der Vater der Krankheit oft unbekannt ist, die Mutter ist immer die Ernährung.“ Und ergänzt: „Jeder Spreewälder hat einen Walnussbaum sowie einen Brombeer- und Holunderstrauch auf dem Hof und damit die Gesundheit im Garten.“ Dazu die Schätze aus der Natur mit ihren Kräutern, von denen so viele in Vergessenheit geraten sind. „Wir brauchen eine Lobby für die Pflanzen“, appelliert er und spricht von den Aroniabeeren, die im Spreewald gedeihen, und der Arzneipflanze des Jahres 2017: Echter Hafer – Avena sativa. Dann muss er raus in die Natur – es ist schließlich Frühling und ringsum wächst Gesundes.
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