Die Reformation – da sind sich die Theologen und Historiker einig – war kein alles umstürzender Moment, sondern ein Prozess, der seine Voraussetzungen im Spätmittelalter hatte und sich über einen längeren Zeitraum hinzog. In Brandenburg ist dies an historischen Ereignissen nachspürbar.
So in der Fläming-Stadt Jüterbog. Hier bildeten die Ablasspredigten des Dominikanermönchs Johann Tetzel einen Anlass für die Veröffentlichung der „Thesen“ Luthers 1517. Sie brachten die Reformation damit so richtig ins Rollen. 30 Jahre später fand auf dem Gebiet des heutigen Brandenburgs mit der Schlacht bei Mühlberg der erste Religionskrieg auf deutschem Boden statt – ein reformationsgeschichtliches Großereignis. Jüterbog und Mühlberg sind nur zwei von zahlreichen Orten in Brandenburg, an denen man sich auf die Spuren der Reformation begeben kann. Mehr als 300 Veranstaltungen zum großen Jubiläum sind in Brandenburg im nächsten halben Jahr erlebbar. Dazu gehören viele Ausstellungen, aber auch Konzerte, Lesungen, Theateraufführungen, Kunstprojekte sowie Rad- und Wandertouren."
Die Kirche St. Nikolai in Jüterbog und das Mönchskloster sind die Orte der großen Jüterboger Reformationsausstellung „Tetzel, Ablass, Fegefeuer“, die ab dem 8. September die historische Figur Tetzels beleuchtet. „Wir in Jüterbog sind der Vorspann, den man braucht, um die Reformation zu verstehen“, erklärt Pfarrer Bernhard Gutsche den Gästen bei Führungen durch die Nikolaikirche. Dazu soll auch das große Mysterienspiel „Schaufenster in die Welt von 1517“ beitragen, das am 8., 9. und 16. September sowie am 17. Oktober in Jüterbog stattfindet. Mit rund 60 Laiendarstellern aus der Stadt und der Umgebung probt Bernhard Gutsche seit Monaten die Aufführungen, die sicherlich zu den besonderen Highlights des Reformationsprogramms gehören werden.
In Frankfurt (Oder) blickt die Ausstellung „Bürger, Pfarrer, Professoren – St. Marien in Frankfurt (Oder) und die Reformation in Brandenburg“ aus der Perspektive wichtiger Personen aus der Frankfurter Bürgerschaft auf die damaligen Verhältnisse des Spätmittelalters und der Reformationszeit zurück. Sie wird bis zum 31. Oktober in der Pfarrund ehemaligen Universitätskirche St. Marien, der Kirche St. Gertraud sowie im Museum Viadrina gezeigt. Im Zentrum der Schau stehen die St. Marienkirche und ihre Kunstschätze. Einige Exponate sind dort erstmals seit 60 Jahren zu sehen. Dazu zählen mittelalterliche Altäre, Handschriften, Bücher und Grabinschriften. Sie halten das Gedächtnis an ihre Stifter fest, denn es waren einst Bürger, Pfarrer und Professoren, die die Reformation getragen hatten. Und sie halten bis heute – angesichts der großen Umbrüche – ihre damaligen Ängste und Hoffnungen wach. Die fünfschiffige St. Marienkirche ist seit mehr als 750 Jahren das Herzstück von Frankfurt (Oder) und kann mit einigen Superlativen aufwarten: Mit einer Länge von rund 80 Metern, dem 45 Meter breiten Querschiff und dem 67 Meter hohen Turm gehört sie zu den größten Sakralbauten der norddeutschen Backsteingotik. Die gotischen Bleiglasfenster galten nach dem Zweiten Weltkrieg als verloren und erlangten internationale Bekanntheit, als sie 2002 von Russland zurückgegeben wurden. Im Rahmen der Sonderausstellung wird das reformationszeitliche Leben in der Stadt und in der Kirche in Zusammenarbeit mit der Filmuniversität Babelsberg in „lebendigen Porträts“ hör- und sichtbar gemacht.
Die 1368 von der Frankfurter Gewandschneider-Innung gestiftete Kirche St. Gertraud auf dem Anger in der Gubener Vorstadt beherbergt heute den größten Teil der historischen Ausstattung der Marienkirche, darunter ein mittelalterliches Taufbecken sowie einen siebenflammigen Leuchter. Außerdem wird der 1489 gestiftete Hochaltar erstmals seit 1945 wieder sein bekrönendes Gesprenge tragen. Gezeigt werden darüber hinaus restaurierte Epitaphgemälde für einst wichtige Frankfurter Familien der Reformationszeit. Sie geben den Bürgern des 16. Jahrhunderts ein Gesicht. Das städtische Museum Viadrina ist in einem der wenigen erhaltenen historischen Gebäude in der Frankfurter Innenstadt beheimatet. Mit herausragenden Werken aus der Marienkirche und ihrer Bibliothek sowie Leihgaben können sich Besucher dort im Rahmen der Sonderschau ein Bild des mittelalterlichen und reformationszeitlichen Stadt machen. Ein Modell sowie archäologische Funde lassen zudem die 1945 zerstörte Altstadt wieder aufleben. Darüber hinaus geben historische Drucke, Urkunden und Goldschmiedearbeiten Einblicke in die reformatorischen Vorgänge vor 500 Jahren.
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