Wo Geschichte, Kunst und Gegenwärtiges sich begegnen – ein Gespräch mit Dr. Jutta Götzmann, Direktorin des Potsdam Museums.
Vor fast zehn Jahren führten wir das erste Interview für das Top Magazin Brandenburg. Damals sprachen Sie leidenschaftlich davon, das Haus zu einem Forum für Kunst und Geschichte zu entwickeln.
Wir verstehen uns als Einrichtung, die den musealen Bereich mit großem Sammlungsbestand in der Ständigen Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert. Diese entwickelt sich weiter und so planen wir, dass komplementär zur Ausstellung der Stadtgeschichte künftig auch der Bereich der Kunst eine permanente Ausstellungsfläche erhält. Hinzu kommen die Sonderausstellungen, die einzelne Themen vertiefen. Neben der inhaltlichen und wissenschaftlichen Arbeit ist es für uns als Museum wichtig, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Das ist das Thema Forum: Wie schaffen wir es, unsere Themen in die Stadtgesellschaft zu tragen? Wir konnten uns glücklicherweise auf diesem Gebiet personell verstärken. Wie wir das inhaltlich-konzeptionell angehen und wie breit wir unser Angebot fächern, zeigt unser Veranstaltungskalender.
Wie lebt dieses Forum heute?
Es gibt Veranstaltungen, die an unsere Ausstellungen gekoppelt sind und die wir selbst planen. Das sind Vorträge, thematische oder Kuratoren-Führungen, Workshops oder Konzertabende, die in die Zeit der Ausstellung führen. Bei großen Ausstellungen laden wir zu Symposien ein. Unsere Museumspädagogin erarbeitet zu jeder Ausstellung ein spezielles Programm für Kinder und Jugendliche entsprechend den Altersstufen. Zum Thema Forum gehört, dass wir viele Akteure einladen, um aktuelle Probleme der Stadt und der Gesellschaft zu diskutieren. So haben wir bei der Doppelausstellung „Umkämpfte Wege der Moderne“ intensiv mit der Fachhochschule Potsdam zusammengearbeitet, die ein eigenes Seminar zur Musik der Revolutionszeit konzipierte und durchführte. Oder wir initiierten ein Projekt der Künstlerin Claudia Hajek jahrgangsübergreifend mit Kindern und Jugendlichen zu den verschwindenden Bauten in der Stadt. Die in Kohle gezeichneten Ergebnisse, die offenbaren, wie schnell sich gegenwärtig die städtebauliche Situation Potsdam verändert, ist im Foyer zu sehen und zugleich erschien ein Buch dazu.
Verschwindende Bauten – zur Potsdamer Geschichte gehört auch die gegenwärtig sehr diskutierte DDR-Architektur. Wie beantworten Sie als Kunsthistorikerin die Frage: Was erhalten – was abreißen?
Schließlich haben Sie die Brache der einstigen Fachhochschule täglich vor Augen. Die Stadt ist im Wandel. Das ist ein wichtiger und positiver Prozess, den wir aktiv begleiten, indem wir uns verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Positionen ins Haus holen. Wir erleben diesen Wandel hautnah, denn wir sitzen hier am Alten Markt an einer der größten Baustellen des Landes, die das wichtige Bekenntnis zur historischen Mitte manifestiert. Es gibt aber auch sehr schwierige Themen, die die Gesellschaft spalten, wie der Wiederaufbau der Garnisonkirche. Hier formulierten wir in unserer Ausstellung „Umkämpfte Wege der Moderne“ einen Diskussionsbeitrag, in dem wir dezidiert historisch aufbereiteten, welcher Ort das einst war, welche Veranstaltungen in dieser Kirche stattfanden. Als Museum möchten wir den Dialog vorantreiben, um der Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken.
Aus dem ehemaligen Restaurant „Minsk“ soll ein Museum für DDR-Kunst entstehen. Kollidiert das mit Ihren Plänen, im Potsdam Museum eine Ständige Ausstellung zur regionalen und überregionalen Kunst der Stadt Potsdam zu entwickeln?
Für das „Minsk“ ist es eine sehr gute Lösung, die viel vom ursprünglichen Gebäude erhält. Natürlich hat Hasso Plattner ganz andere Möglichkeiten als unser von der öffentlichen Hand finanziertes Museum. Wir werden uns weiterhin mit unserer Sammlung auseinandersetzen und prüfen nach zehn Jahren an diesem Standort die Mittel und Möglichkeiten, wie wir der Kunst einen größeren Raum geben können. Dazu gehört eine Machbarkeitsstudie zum Areal hinter unserem Haus, das den Bomben zum Opfer fiel. Aber wie auch immer – wir wollen einen dauerhaften Ort für die Präsentation unserer breit aufgebauten Sammlung mit dem Schwerpunkt Kunst nach 1945, die über die Stadt Potsdam hinausgeht. Sicherlich werden sich beide Museen sinnvoll ergänzen.
In diesen zehn Jahren hat sich der Alte Markt zu einem Kleinod entwickelt. Gibt es eine Zusammenarbeit mit dem benachbarten Museum Barberini?
Es ist eine gute Nachbarschaft, die besonders eng ist, wenn unsere Ausstellungen eine thematische Nähe haben, wie beispielsweise unsere Sonderausstellung „Die wilden 80er- Jahre in der deutschdeutschen Malerei“ und die erste Schau zur DDR-Kunst im Barberini. Wir planen für 2020 eine Ausstellung zum deutschen Impressionisten Karl Hagemeister, den wir in einer Riege mit Max Liebermann, Max Slevogt und Lovis Corinth zeigen. Werke dieser Künstler präsentieren wir zeitgleich zur Schau des französischen Impressionisten Monet im Barberini. Hierzu konzipieren wir gegenwärtig gemeinsame Veranstaltungen und häuserübergreifende Themenführungen.
Woher kommen Ihre Besucher?
Über die Hälfte der Besucher kommt aus der Region und somit aus Potsdam, Berlin und Brandenburg. Fast 40 % der Besucher sind Kulturtouristen aus anderen Bundesländern. Internationale Besucher verzeichnen wir laut unserer letzten Umfrage 2018 mit 8 %.
Welche Ausstellungen sind in Vorbereitung?
Im August eröffnen wir die Sonderausstellung „Potsdam unter dem Roten Stern“, die in die Zeit von 1945 bis zum Abzug der Roten Armee im Jahr 1994 führt. Wie sah der Alltag innerhalb der nicht zugänglichen Areale aus? Was wir hierzu an Objekten und Fotos in der Sammlung haben, wurde noch nie öffentlich gezeigt. Und dann natürlich ab Februar 2020 die Hagemeister- Ausstellung, bei der wir unseren umfangreichen Bestand und viele Privatleihgaben präsentieren. Der Kernbestand dieser Ausstellung wandert dann durch Deutschland: in den Norden ins Kunstmuseum Ahrenshoop und in den Süden nach Bayern. In Schweinfurt ist sie in der Sammlung Schäfer zu sehen.