Das Brandenburg-Preußen Museum in Wustrau zeigt den Aufstieg Preußens unter den Hohenzollern bis zum Ende des Ersten Weltkrieges und widmet sich dabei in erster Linie den zivilen Leistungen: Schule, Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung. Hinzu kommen jährlich wechselnde Sonderausstellungen wie gegenwärtig die viel beachtete fotohistorische Schau „Marie Goslich – Aufbruch aus der Fontane-Zeit“.
Verbunden durch den Ruppiner See liegt Wustrau unweit von Neuruppin. Und so war es für Museumschefin Claudia Krahnert und Anna Ogdowski, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Hauses, eine gesetzte Größe, dass die Sonderausstellung im Fontanejahr einen thematischen Bogen zu dem in Neuruppin geborenen Dichter und Schriftsteller aufweisen muss. Nach mehreren sehr arbeitsintensiven Sonderausstellungen des Hauses in den vergangenen Jahren erschien eine Schau der Fotos von Marie Goslich ein reiz- und sinnvolles Projekt, das auch zeitlich gut passte, schließlich kehrte die Pionierin der Fotografie in einer Zeit aus einem Schweizer Pensionat in ihre brandenburgische Heimat zurück, als Theodor Fontane gerade den vierten Band der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ veröffentlichte. Ziemlich schnell merkten Claudia Krahnert und Anna Ogdowski, dass die Biografie der fotografischen Zeitzeugin zum einen voller Rätsel und Mutmaßungen steckte und zum anderen viel über das Leben um die Jahrhundertwende erzählte. Eine Zeit des „allgemeinen gesellschaftlichen Aufbruchs, die durch die technischen Entwicklungen und deren Siegeszug zu einer Beschleunigung aller Lebensbereiche führte“, erklärt Claudia Krahnert, die das Museum in Wustrau seit einem Jahr leitet. So entstand eine sehr sehenswerte Ausstellung von Fotos, die – neben Motiven des alltäglichen Lebens – immer wieder Frauen zeigen: beim Sport, in der Freizeit und bei der Arbeit. Marie Goslich beschrieb den Wandel des Frauenbildes, die in dieser Zeit sich nicht nur vom Korsett befreiten, in Artikeln und Essays, u. a. für die Vossischen Zeitung, den „Boten für die christliche Frauenwelt“ (später „Boten für die deutsche Frauenwelt“), die Zeitschrift „Körperkultur“, und hielt ihn mit der Plattenkamera fest. Dank der intensiven Recherchearbeit des kreativen Wustrauer Frauen- Teams erfährt der Besucher viel über den Lebensweg von Marie Goslich, die eine gutbürgerliche Erziehung genoss und eine der ersten Journalistinnen war, wobei es diese Berufsbezeichnung da noch gar nicht gab, gebräuchlich waren die Bezeichnungen Schriftleiterin, Schriftstellerin oder Redakteurin. "
Die Motive für ihre einfühlsamen Bilder fand Marie Goslich vor allem auf dem Land, zu dem sie auch eine tiefe persönliche Beziehung hatte, denn nach ihrer Trennung von Schriftsteller Karl Kuhls zog sie nach Geltow, zuerst in das Gasthaus Baumgartenbrück der Familie Herrmann und dann in das Haus der Dorfbäckerin Alwine Rottstock in der Havelstraße 4. „Lieselotte Herrmann, Wirtin des Gasthauses Baumgartenbrück in Geltow, ist es zu verdanken, dass viele biografische Details der Pionierin des deutschen Fotojournalismus nicht verloren gingen und die Glasnegative der Fotos die Zeiten überdauerten. Sie überlebten in einem Treppenverschlag im Havelland“, berichtet die Historikerin Anna Ogdowski. Einige der technischen Raritäten werden in Wustrau gezeigt. Dennoch liegen viele Lebens- Stationen der Marie Goslich im Dunkeln, so auch ihr Tod.
Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen war sie 1938 vermutlich eines der ersten Euthanasieopfer. In ihrer Geburtsstadt Frankfurt (Oder) erinnert ein Stolperstein an sie.
„Ursprünglich wollten wir die Ausstellung ‚Marie Goslich – Wanderin durch die Mark Brandenburg‘ nennen, aber dann stellten wir schnell fest, dass die vielseitig begabte Marie ziemlich kompakt war und bepackt mit einer schweren Plattenkamera wohl kaum ohne Weiteres durch die Gegend wandern konnte“, berichtet Anna Ogdowski, deren zweiter Arbeitsschwerpunkt die Museumspädagogik ist. „Wir gehen in die Schulen, initiieren viele Projekte, veranstalten Workshops oder thematische Führungen nicht allein, um zu zeigen, wie spannend Geschichte ist, sondern auch zu vermitteln, was sie uns heute zu sagen hat.“ Das gelingt gut, denn von anfangs 70 Schülerinnen und Schülern im Jahr stieg die Zahl 2018 auf knapp 2.000. Auch die Sonderausstellung zu Marie Goslich wird von zahlreichen Vorträgen, Konzerten, Veranstaltungen und Kuratorinnen-Führungen begleitet, Informationen dazu auf der gut gepflegten Webseite des Mueums.
Das Brandenburg-Preußen Museum
in Wustrau lädt in seiner Dauerausstellung zu Einblicken in 500 Jahre brandenburgisch-preußische Geschichte ein. Einzigartige und überraschende Exponate sowie eine Porträtgalerie aller Kurfürsten, Könige und Kaiser der Hohenzollern erzählen die wechselvolle Geschichte Brandenburgs und Preußens, der Mark Brandenburg wie auch des historischen Preußens im Baltikum und heutigen Polen. Gründer und Stifter des im Jahr 2000 eröffneten privaten Museums ist Ehrhardt Bödecker. Die Arbeit des Museums sichert nach dessen Tod die Ehrhardt-Bödecker-Stiftung, deren Vorstand Andreas Bödecker ist.
Die Sonderausstellung „Marie Goslich – Aufbruch aus der Fontane-Zeit“ ist bis zum 8. Dezember zu besichtigen.
Öffnungszeiten: April–Dezember: Di. bis So. 10–18 Uhr
Winterschließzeit: 9. Dezember 2019 bis zum 17. Februar 2020
www.brandenburg-preussen-museum.de
Das Museum liegt im malerischen Zietendorf Wustrau am südlichen Anfang des Ruppiner Sees. Neben dem Schloss der Familie von Zieten (Hans Joachim von Zieten, Reitergeneral Friedrichs II.), der alten Dorfkirche und dem romantischen Dorfkern kann man von hier aus auf dem Wasser, mit dem Fahrrad oder bei Wanderungen die herrliche Landschaft des Ruppiner Landes erleben.
Alljährlich im Sommer wird der Ruppiner See zur Kulisse für ein viel beachtetes Open-Air-Theater. In diesem Jahr feierte das Seefestivals Wustrau 15. Geburtstag.
www.wustrau.de
www.seefestival.com