Als Silke Röser 1993 nach Eberwalde kam, war das für die junge Ärztin kein Wunschziel. Doch damals waren Arztstellen rar. Heute möchte die Fachärztin für Nephrologie (Nierenkrankheiten) und Hypertensiologie (Bluthochdruck) hier nicht mehr weg. Wie funktioniert Heimat? Natürlich sind da zuerst die Familie, die Arbeit und die Menschen, die zu Freunden wurden. Aber es sind auch die Orte. Welche das sind, zeigte uns Dr. Silke Röser.
Schon bei der Fahrt durch die herbstliche Schorfheide in den Heimatort der Medizinerin, Groß Schönebeck nordwestlich von Eberswalde, offenbart die Schönheit des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin: ausgedehnte Waldgebiete, sanfte Hügel, uralte Bäume mit kräftigen, knorrigen Stämmen. Dazwischen blinken wie blaue Augen immer wieder Seen. „Wenn ich Spätschicht habe, fahre ich immer langsam, denn der Wildreichtum der Gegend ist dann zu sehen“, berichtet die Medizinerin, die im KfH-Nierenzentrum in Eberswalde arbeitet. Steht Tagschicht auf dem Arbeitsplan, nutzt die sportliche Frau Doktor für die knapp 30 Kilometer lange Strecke (eine Tour) auch gern das Fahrrad. Und schon gibt es den ersten Stopp. "
Gärtnerei biobewusst in Eichhorst
Silke Röser nimmt eine leere Holzkiste aus dem Kofferraum, ein kurzer Weg über Wiesen, und wir stehen in der Gärtnerei von Enikö Takács und Tino Schulz. Vor sieben Jahren wagten beide den Schritt, von ihrem angebauten Obst und Gemüse zu leben. Inzwischen schätzen Kunden aus der ganzen Region die erntefrischen Bio-Erzeugnisse, die in der „Grünen Kiste“ wöchentlich nach Hause geliefert oder direkt am Hof abgeholt werden können. An diesem späten Oktobertag liegen Gurken, Hokkaido-Kürbis, Mini-Auberginen, Rote Bete … und nicht zu vergessen ein frischer Kräuterstrauß in der Kiste. „Was eben gerade so reif ist“, erklärt Enikö Takács, die bei eher unbekannten Gemüsesorten auch gern ein Rezept für die Zubereitung beilegt.
Groß Schönebeck
Ein paar Fahrminuten später sind wir in Groß Schönebeck, einem schmucker Ort mit ansehnlich sanierten Häusern und einer alten Feldstein-Dorfkirche. Strahlender Mittelpunkt ist das Jagdschloss, in dem eine Dauerausstellung zeigt, wie in der Schorfheide seit fast 1000 Jahren Jagd und Macht miteinander verwoben sind. Gleich nebenan in der Remise hat die Tourist-Information mindestens 1000 Urlaubs-, Freizeit- und Routentipps für die Region. „Groß Schönebeck hat eine hohe Lebensqualität“, weiß Silke Röser, die seit 18 Jahren hier mit Mann und zwei Kindern lebt. „Es gibt eine Kita, eine Grundschule, zwei Supermärkte, eine Apotheke, ein Blumengeschäft, einen kleinen Baumarkt und nun auch wieder den Bahnhof der Heidekrautbahn – eben alles, was man zum Leben braucht. Genauso wichtig ist für mich die gut funktionierende Dorfgemeinschaft, die sich um Menschen kümmert, die Hilfe brauchen, Veranstaltungen und Feste organisiert“, so die bekennende Groß Schönebeckerin, die rund um die Gemeinde ihre hauseigenen Joggingstrecken hat. Je nach Lust, Laune und Zeitbudget läuft sie 5, 10 oder noch mehr Kilometer.
Gut Sarnow
Nicht mal fünf Kilometer sind es von Groß Schönebeck bis zum Gut Sarnow, das sich mit seinen anmutigen weißen Gebäuden in die Landschaft kuschelt. 1992 privatisiert, beherbergt das Gut heute ein Hotel, Tagungsräume, ein Restaurant – in dem einst der junge Kolja Kleeberg kochende Erfahrungen sammelte – und eine Reitanlage mit Ställen, neu erbauter Reithalle und Außenreitplatz. Es gibt Reitunterricht für Einsteiger und Könner. „Hier ist es zu jeder Tages- und Jahreszeit schön. Ich mag es besonders, in den Abendstunden im Wintergarten zu sitzen und die Pferde auf den Koppeln zu sehen. Selbst nach einem langen Arbeitstag löst sich dann die Anspannung in Luft auf“, schildert Silke Röser, deren Tochter hier das Reiten lernte. Inzwischen betreut der Teenager eine Pflegepferd, und Mama Silke staunt über die Leistungen der Tochter im Sattel und bei der regelmäßigen Betreuung des Pferdes. Sarnow trägt auch den Titel KulturGut, schließlich gibt es hier regelmäßig Veranstaltungen, meist kombiniert mit einem Dinner. Viel Wild wird serviert, denn zum Gut gehört eine Eigenjagd. Heute bleibt es bei einem Kaffee im Wintergarten, denn die letzte Station der Lieblingsorte-Tour hat mit Essen und Trinken zu tun. Es geht zu Tisch, an den:
artTisch in Marienwerder
Der liegt malerisch direkt am Oder-Havel- Kanal. „Im Sommer kann man auf der Terrasse sitzen und zuschauen, wie die Sonne untergeht“, veranschaulicht Silke Röser, die Inhaber Björn Ferdinand schon in der Zeit kennen lernte, als seine ungewöhnliche Abendtafel in Joachimsthal entdeckungsfreudige Feinschmecker der ganzen Region lockte. Das Konzept war simpel: An jedem Abend gab es ein Menü mit drei Gängen für die Gäste, das wie bei einem großen Familienessen serviert wurde. „Das Restaurant lag einfach so weit weg vom Schuss, dass ich mir etwas einfallen lassen musste“, erzählt der Gastronom, der kein Mann langer Reden ist, sondern lieber seine Küche sprechen lässt. Es sei denn, das Gespräch kommt auf Wein. Da folgt die geballte Ladung Fachwissen und „Empfehlungen, auf die man sich immer verlassen kann“, so Silke Röser. Im Frühjahr 2018 folgte dann der Umzug in die Marina von Marienwerder. Die Küche von Björn Ferdinand ist frisch, bodenständig und so überzeugend schmackhaft, dass eine Reservierung selbst im Winter sinnvoll ist. Der Rotkohl zum Wild und der Wintersalat zum Fisch kommen an diesem Abend von der Gärtnerei biobewusst in Eichhorst. Eben ein Lieblings-Ort.
www.schorfheide.de
www.biobewusst.de
www.großschoenebeck.de
www.gut-sarnow.com
www.arttisch.com