Opposition – Niederlage oder Chance, wofür steht und wohin steuert DIE LINKE? 100 Tage nach dem Start der neuen Landesregierung sprachen wir mit Kathrin Dannenberg, Fraktionsvorsitzende DIE LINKE im Landtag Brandenburg.
Seit der letzten Landtagswahl in Brandenburg im September 2019 ist Ihre Partei in der Opposition. Sehen Sie das eher als Niederlage oder als Chance?
Unser Wahlergebnis vom letzten Jahr war eine Niederlage – und zwar eine ganz große. So etwas muss man verarbeiten und Schlussfolgerungen ziehen. Daran arbeiten wir intensiv. Insofern ist Opposition auch eine Chance, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger wiederzugewinnen.
Wie sieht das konkret aus?
Wir sind sehr viel mehr im Land unterwegs, als wir das zu Regierungszeiten sein konnten. Dabei schauen wir genau hin und hören gut zu, um die richtigen Fragen zu stellen. Wir kommen nicht mit fertigen Konzepten, sondern führen Ideen und Interessen zusammen. In diesem Kontext entwickeln wir unsere Politik.
DIE LINKEN galten – vor allem im Osten Deutschlands – als „Kümmerer-Partei“. Wen vertritt DIE LINKE heute?
Dieses Image entstand in den 1990er-Jahren, als es darum ging, die Menschen in die Einheit zu begleiten. Später folgte der Kampf gegen Hartz IV. Inzwischen hat sich die Gesellschaft verändert. Wenn schon „Kümmerer-Partei“, dann in dem Sinne, dass wir näher bei den Sorgen, Wünschen, Belangen und Hoffnungen der Menschen sind. Wir müssen wieder mehr denn je Teil sozialer Bewegungen sein, sie unterstützen und unsere linken Positionen einbringen. Das verlangt auch, intensiver als bisher mit Gewerkschaften, Bürgerinitiativen und Menschen, die etwas verändern wollen, zusammenzuarbeiten.
Die „Kenia-Koalition“ regiert seit gut 100 Tagen. Welche Schulnote würden Sie der rot-schwarz-grünen Regierung geben?
Ich fand sie bisher nicht überzeugend. Auch nicht den Koalitionsvertrag mit seinen 55 Prüfaufträgen und den Schwerpunkten Nachhaltigkeit, Zusammenhalt und Sicherheit. Mir fehlen hier Leitplanken wie soziale Gerechtigkeit und Solidarität. Wir LINKE vermissen Antworten auf die wirklichen Fragen – wie die soziale Spaltung oder ungleiche Lohnpolitik – und einen erkennbaren roten Faden. Diese Koalition war keine Liebesheirat, sie ist nur eine Zählgemeinschaft. Was bleibt: Das Land hat eine Regierung, die routinemäßig Aufgaben erfüllt. Mehr als eine Vier ist da nicht drin, aber dazu den verbalen Vermerk „mit Entwicklungspotenzial“.
Welche Aufgaben stehen auf Ihrer Agenda?
Wir arbeiten intensiv daran, unserer Fraktion ein unverwechselbares linkes Profil zu geben, das die Erwartungen und Bedürfnisse eines großen Teils der Brandenburgerinnen und Brandenburger trifft. Wir beschäftigen uns mit ganz konkreten Dingen, die unser linkes Profil zeigen. So wollen wir die komplette Beitragsfreiheit in Kita und Hort bereits 2022, den kostenlosen Schülerverkehr und perspektivisch freie Fahrt für alle Kinder und Jugendlichen für Bus und Bahn, gute Arbeitsbedingungen, z. B. für unsere Busfahrer, und weniger prekäre Beschäftigung, besonders bei alleinerziehenden Frauen.
Was hat sich für Sie persönlich seit dem Übergang von der aktiven Regierungsarbeit in die Opposition verändert?
Meine Arbeit als Abgeordnete hat sich im Grundsatz nicht verändert. Thematisch allerdings schon. Als Fraktionsvorsitzende bin ich nicht nur für einen Bereich zuständig, sondern für ein breites politisches Spektrum, was natürlich auch das private Zeitbudget beeinflusst. Wir sind nur noch zehn Abgeordnete und die Arbeit wird nicht weniger, aber das schweißt auch zusammen. Als Regierungspartei konnten wir gestalten. Nun setzen wir mit unseren Anträgen Themen und motivieren die Regierung, sich zu bewegen. Parlamentsarbeit ist aber nur ein Teil, der andere findet vor Ort bei den Bürgerinnen und Bürgern statt.
Parlamentsarbeit beinhaltet viel Kommunikation zwischen den Fraktionen, um Plattformen und Kompromisse zu finden. Wer ist hierbei Ihr „Lieblingspartner“?
Können und wollen Sie mit allen Fraktionen zusammenarbeiten? Wir können und wollen mit allen demokratischen Fraktionen zusammenarbeiten. Mit der AfD geht das nicht – und wir werden es auch nicht tun. Bei den demokratischen Fraktionen gibt es verbindende inhaltliche Schnittpunkte, so wie beispielsweise zur Kita-Beitragsfreiheit mit den Freien Wählern oder der gemeinsame Antrag von CDU und LINKEN zum Gesamtkonzept für Lauchhammer.
Welche langfristigen Schwerpunkte setzen Sie bis zum Herbst 2024, dem Zeitpunkt der nächsten Landtagswahl in Brandenburg?
Daran arbeiten wir. Fertige Konzepte gibt es nicht, aber wir wollen deutlich machen, wozu dieses Land eine Partei DIE LINKE braucht. Dabei zeichnen sich zwei zentrale Aspekte ab: Einerseits geht es uns um die Stärkung der Sozialstaatlichkeit und um einen Staat, der angesichts der großen Umbrüche und solcher einschneidender Ereignisse wie der Corona Pandemie die soziale Sicherheit jedes Einzelnen solidarisch absichert. Und zugleich wollen wir – das hängt eng miteinander zusammen – eine Rückerlangung des Öffentlichen in allen Lebensbereichen erreichen. Es darf keine weitere Privatisierung der Lebensgrundlagen im Land wie Grund und Boden geben. Wir kämpfen gegen die Profitdominanz beim Wohnen, im Gesundheitsbereich und in der Infrastruktur. Das alles zieht sich durch unsere Politik und wird in einzelnen Bereichen besonders deutlich werden: bei Bildung, Mobilität und Pflege. Und nicht zuletzt werden wir uns dafür einsetzen, dass jeder Mensch von seiner Arbeit leben kann. Da hat die Politik mehr Möglichkeiten, als sie bisher ausgeschöpft hat.
Politische Arbeit kostet Kraft und Nerven. Wo und wie finden Sie Entspannung?
Ich wohne in Calau, da ist das Leben sehr bodenständig. Das erdet mich immer wieder. So wie mein Garten. Und ich versuche regelmäßig Sport zu treiben und freue mich jetzt schon auf die warme Jahreszeit und das Schwimmen im Calauer Freibad.
Das Gespräch führten der Verleger Jürgen H. Blunck und die Journalistin Brigitte Menge