Wer eine Reise unternimmt, zudem mit dem Auto, sollte zwischendurch ja innehalten und sich die Beine vertreten. Noch besser: auch die Seele baumeln zu lassen – in einer der rund 50 Autobahnkirchen Deutschlands! Zwar entstand die erste vor 55 Jahren an der A8 bei Adelsried, die beschaulichste und schönste Kirche liegt allerdings in der Schorfheide, genauer gesagt in Werbellin, nördlich von Berlin.
Werbellin ist eigentlich eine klassische Dorfkirche, die hier schon seit 100 Jahren steht. Die als solche schon immer funktioniert hat und auch weiterhin als Gemeindekirche genutzt wird. Darüber hinaus hat das kleine Gotteshaus eine Nutzungserweiterung erfahren – zur Autobahnkirche. Für diese besonderen Kirchen gibt es festgelegte Richtlinien: Sie dürfen maximal 1.000 Meter von der Autobahn entfernt zum Entschleunigen einladen und sie müssen von 8–20 Uhr geöffnet haben. Die in Werbellin liegt ganz idyllisch an der Dorfstraße mitten im Ort, an und für sich untypisch für eine Autobahnkirche. Damit sie gefunden werden kann, weist auf der A11 das quadratische, blaue Schild mit weißer Kirche auf sie hin – mehr weiß Autobahnpfarrer Uli Haberkorn. „Diese Schilder sind der Querverweis von der Straße der Hektik zum Ort der Besinnung. Ansonsten ist das hier eine typische Dorfkirche. Die Gemeinde hat sich irgendwann einmal überlegt, was man mit dem Objekt tun kann und einigte sich mit der Westdeutschen Partnergemeinde, hier eine Autobahnkirche zu machen. An und für sich sind Autobahnkirchen in Westdeutschland z.B. etwa Kapellen, die direkt an der Autobahn stehen. In Ostdeutschen Gefilden ist die Autobahnkirche als solche spärlich gesät.“
Umso besser, dass es auch im Norden welche gibt, denn die Besucher kommen aus den unterschiedlichsten Gründen, verrät Pfarrer Haberkorn: „Ich habe den Gottesdienst im Nachbarort verpasst, deswegen bin ich hier. Wenn ich auf Reisen bin, gehe ich gerne in Autobahnkirchen, weil die sehr unterschiedlich sind, das ist sehr interessant“, sagt der Motorradfan und rückt sich seinen Helm zurecht. Obwohl Autobahnkirchen in evangelischer oder katholischer Trägerschaft geführt werden, sind Besucher jedweder Konfession willkommen. Der Architekt Georg Büttner gestaltete das äußere Erscheinungsbild der kleinen Kirche in Werbellin und auch die Inneneinrichtung: im neobarocken bzw. im sogenannten Heimatstil – der ist noch heute fast vollständig erhalten. Zu erkennen ist er am hölzernen Eingangsbereich und am hölzernen Glockengeschoss. „Der ist eher untypisch in unserer Region, in der Mark Brandenburg erwartet man eher Feldsteingemäuer bei Kirchen, aber das ist auch ein Magnet für den Ort. In Hohen Neuendorf gibt es eine größere Kirche, auch von ihm gebaut. In beiden Kirchen ist spannend, dass die Inneneinrichtung komplett im Original erhalten ist: vom Holzleuchter bis hin zum Altar, auch malertechnisch ist alles erhalten. Darauf wurde bei der Sanierung großer Wert gelegt“, erklärt der Geistliche.
Auf Erlass vom Preußenkönig Friedrich II wurde Werbellin 1748 gegründet – einige Jahre später entstand schon eine Fachwerkkirche am heutigen Standort. Die wurde 1910 aus Altersgründen abgerissen – vier Jahre später entstand die heutige Kirche.
Besucher schätzen besonders …
„Dass sie immer offen ist, dass man reingehen kann, wenn man das Bedürfnis hat, wenn man Zeit und Ruhe sucht im stressigen Alltag – das ist für mich eine Autobahnkirche. Es ist immer schön sauber hier“, so Uli Haberkorn, der in regelmäßigen Zeitabständen hier auch ganz normale Gottesdienste abhält. Denn die Autobahnkirche Werbellin gehört zum Verbund der Schorfheidekirchen.
Einmal im Jahr gibt es einen sogenannten Autobahnkirchen-Sonntag, der bundesweit ausgerufen wird und bei dem speziell für Autobahnfahrende ein Gottesdienst abgehalten wird. „Aber man kann sich auch bei mir melden, wenn man mit einer größeren Gruppe die Autobahnkirche besuchen will. Dann kann man sich eine Extraandacht hinzu buchen – das passiert auch mal, die meisten, die hier vorbeifahren sind tatsächlich Durchreisende. Es gibt tatsächlich auch welche, die immer wieder kommen an diesen lauschigen Ort – das ist ein schöner Moment, dass die Leute so den Sinn dieser Kirche innerlich füllen, nämlich „Rastplatz für die Seele“ zu sein“, freut sich der Werbelliner Pfarrer.
Man könnte ja denken, dass in der kleinen Kirche hin und wieder unbeobachtet „herum geschraubt“ wird – aber da sei Gott vor, sagt der Pfarrer und erzählt, dass Gravierendes bisher noch nicht passiert sei, höchstens Kinder, die im Anliegenbuch herum gekritzelt hätten. Offensichtlich hätten die Menschen noch ein Gespür für diesen Ort und würden ihn ehren. Zum Abschied ruft der Autobahnpfarrer noch: „Fahren Sie bloß nicht schneller, als ihr Schutzengel fliegen kann!“ www.autobahnkirchen.de