Mitte November hielt Prof. Dr. Gesine Schwan in der kleinen Babelsberger Oberlinkirche die traditionelle Oberlinrede. Sie thematisierte das große Spektrum der Demokratie.
Seit 2002 lädt die Oberlin-Stiftung Unterstützer des Hauses ein, um auf diese außergewöhnliche Weise Danke zu sagen. Unter den rund 150 Gästen des Abends die Vertreter des Beirates der Oberlinstiftung, darunter Prinz von Preußen, Volker Schlöndorff und Prof. Ulli Weinberg.
Unter dem Titel „Ohne starke Werte keine starke Demokratie“ widmete sich Prof. Dr. Gesine Schwan der Frage, wie Demokratie in Zeiten gesellschaftlicher Spaltung und zunehmender Polarisierung stabilisiert und weiterentwickelt werden kann. Sie betonte, dass es in einer funktionierenden Demokratie nicht nur um die Verfolgung von Eigeninteressen gehe, sondern vor allem um das Streben nach dem Gemeinwohl.
Ein zentrales Thema war die Bedeutung von Werten in der Demokratie. Schwan betonte, dass Werte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit nicht nur abstrakte Ideale seien, sondern in der praktischen Politik und im Alltag aktiv gelebt werden müssten. Sie wies darauf hin, dass der respektvolle Umgang mit anderen Perspektiven und die konstruktive Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Bedürfnissen wesentliche Bestandteile einer funktionierenden Demokratie seien.
Im Anschluss an ihre Ausführungen beantwortete Gesine Schwan, die zweimal Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentschaft war, die Fragen von Pfarrer Dr. Matthias Fichtmüller, der seit 2008 theologischer Vorstand des Oberlinhaus ist.
Sie berichtete von ihrer behüteten Kindheit, von der erlebten Geborgenheit auf dem Schoß ihrer Mutter. Die Mutter, die als Fürsorgerin gearbeitetet hatte, führte für die Begründung eines Tun oder eines Unterlassens immer an: „Du würdest Dich ja auch nicht wohlfühlen, wenn …“
So hätte sie damals auf dem Schulhof eine neue Mitschülerin, die alleine auf dem Schulhof stand, angesprochen und sie aktiv in den Kreis der Klasse gezogen. Jahre später, als sie dieses Mädchen nun als erwachsene Frau wieder traf, sagte die ehemalige Neue ihr für diese Geste nochmal: Danke.
Auch der Glaube, also zu glauben, dass Gott sie begleite, sei eine wichtige Feste in ihrem Leben, denn daraus schöpfe sie Zuversicht. Sie berichtete von vier wichtigen Handlungsmaximen aus der katholischen Messe, die sie für sich als wichtig erachte: sich einmal in der Woche Zeit nehmen, um sich und sein Handeln zu reflektieren, ein Gewissen zu haben, denn daraus leite sich die eigene Stärke ab, Vertrauen in sich selbst zu haben sowie auf die Vernunft zu bauen.
Der Abend wurde musikalisch eingerahmt vom Violinspiel Sophia Dellings, einer Stipendiatin der Kammerakademie Potsdam, die eine moderne Sonate von Eugene Ysaye spielte sowie zwei Stücke von Johann Sebastian Bach.